piwik no script img

„Freundschaft kennt keine Grenzen“

KAMPAGNE In Myanmar werben junge Menschen mit der Kampagne „Mein Freund“ in den sozialen Medien für Verständigung und Toleranz

Von Wint Wady

Su Yadanar Myint, die Tochter eines buddhistischen Vaters und einer muslimischen Mutter, erzählt von den Schwierigkeiten, die sie hat, weil ihre Eltern unterschiedlichen Religionen angehören. Selbst einige ihrer Verwandten liebten sie nicht, weil sie ein „Mischling“ ist.

„Als ich fünf war, schickte meine Mutter mich zur Schule für muslimische Kinder. Doch dort wollten die anderen Kinder nichts mit mir zu tun haben, weil mein Vater Buddhist ist. Dass meine Mutter Muslimin ist, war ihnen egal. Sie wollten einfach nicht mit mir spielen. Damals war ich so traurig und weinte. Ich bin nicht gern in die Schule gegangen.“

Später, in einer buddhistischen Schule nannten die Kinder sie „die Muslimin“. „Sie riefen mich „Kalama“ (Inderin). Ich hasse diesen Spitznamen und habe mich oft mit denen gestritten, die mich so genannt haben. Es war eine schmerzhafte Erfahrung, dass meine Eltern unterschiedlichen Religionen angehören. Ich habe einen guten Freund, der ist Buddhist. Wir verstehen einander. Aber seine Freunde und Verwandten sagten ihm, er solle nicht mit mir befreundet sein, weil ich Muslimin sei. Auch meine muslimischen Freunde fragen mich, warum wir so gut befreundet sind.“

Koloniales Erbe

Die Muslime in Myanmar sind Abkömmlinge muslimischer Einwanderer aus dem früheren Britisch-Indien, aus Arabien und aus anderen Ländern. Unter der britischen Kolonialherrschaft trugen wirtschaftlicher Druck und Fremdenfeindlichkeit zu antiindischen und antimuslimischen Ressentiments bei.

Nach einem antiindischen Aufstand in den 1930er Jahren flammten rassistische Spannungen zwischen ethnischen Birmanen, indischen Einwanderern und den britischen Herrschern auf.

Über die Ursachen dieses religiösen Konflikts sagt Myat Htun Thein, ein Buddhist aus dem Rakhine-Staat im Westen Myanmars: „Heute gibt es so viele religiöse Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen. Deshalb nehmen die Missverständnisse im Volk zu. Inzwischen hassen Buddhisten und Muslime des Rakhine-Staats einander. Durch Hetze und Gerüchte werden die Missverständnisse immer schlimmer. Meine Freunde und Verwandten sagten mir, ich solle mich nicht mit ihnen anfreunden, weil sie Muslime sind.“

2012 kam es zu antimuslimischer Gewalt in Rakhine, 2013 in Meiktila, Okkan, Lashio, Kantbalu und 2014 in Mandalay, der zweitgrößten Stadt des Landes. Als Ursache sehen viele das Aufblühen der nationalistischen Buddhistenbewegung Ma Ba Tha.

Nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen änderte sich auch die Haltung vieler ihrer Freunde, sagt Su Yadanar Myint, die ihre Freundschaften unabhängig von der jeweiligen Religionszugehörigkeiten bewahren will. „Wir hatten keinen Streit. Aber wegen der religiös motivierten Auseinandersetzungen misstrauten mir bisherige Freunde.“

James, ein christlicher Student, der viele Freunde verschiedener Religionszugehörigkeiten hat, sagt: „Wenn wir zusammenhalten und Probleme offen besprechen, verstehen wir diese besser und können Lösungen finden.“ Es sei nötig, mehr Verständnis füreinander zu entwickeln: „Wir müssen einander respektieren und verschiedene Meinungen und Perspektiven akzeptieren. Wenn wir einander helfen, wird unser Land friedlich werden. Wir versuchen, Vertrauen untereinander aufzubauen.“

Vertrauen aufbauen

James beteiligt sich an der „Mein Freund“-Kampagne. Sie will beweisen, dass „Freundschaft keine Grenzen kennt“. Auf Facebook wurde eine Bewegung gegründet, um Freundschaften zwischen Angehörigern verschiedener Religionen und Volksgruppen zu fördern.

Su Yadanar Myint, die in der früheren Hauptstadt Yangon (Rangun) lebt: „Wir machen Fotos mit Freunden, die verschiedener Hautfarbe, ethnischer und religiöser Herkunft sind. Wir posten die Fotos in den sozialen Medien, um die Menschen zu ermutigen, einander trotz ihrer Unterschiede zu lieben. Wir verschicken Aufkleber, die ein friedliches Miteinander propagieren. Wir machen Theatervorstellungen, die Freundschaften zeigen und Menschen lehren, wie man Konflikte löst. Wir verschicken auch Botschaften, damit die Leute Hetze und Gerüchten keinen Glauben schenken.“

Die Kampagne hat bisher rund 5.000 Teilnehmer. Es hat länger gedauert, bis sie ein positives Echo gefunden hat. Aber jetzt stehen schon Tausende zusammen, um zu zeigen, dass sie sich nicht auseinanderdividieren lassen, sondern sich zusammen für Menschenrechte, Frieden und Demokratie einsetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen