„Der Osten braucht keine neuen Gesetze“

Die neuen Bundesländer sind bereits eine Art Sonderwirtschaftszone, sagt Landesminister Otto Ebnet

taz: Mecklenburg-Vorpommerns Industrie wuchs 2003 um 9,2 Prozent, im letzten Jahr um 9,4 Prozent. Nirgends ist mehr Wachstum, allenfalls in China. Wird Ihr Land zum Vorbild?

Otto Ebnet: Die Entwicklung zeigt, dass die Landesregierung gute Arbeit abgeliefert hat. Zwar ist die industrielle Basis in Mecklenburg immer noch dünn und Wachstum wird von Unternehmern und nicht von der Politik generiert. Augenscheinlich hat die rot-rote Landesregierung aber Voraussetzungen geschaffen, in denen sich die Unternehmer bestens entfalten können.

Mecklenburger und Pommern haben das zur Bundestagswahl honoriert: Die Mehrheit wählte links. Auch gesamtdeutsch gibt es eine linke Mehrheit. Anders als in Mecklenburg scheint der Wähler bundesweit aber nicht zu bekommen, was die Mehrheit will. Woran liegt das?

Es gibt viel zu große Differenzen zur Linkspartei. Denken sie nur an die Außenpolitik: Die PDS ist von einer starken pazifistischen Strömung beherrscht, die etwa die Bundeswehr selbst, mindestens aber ihre Auslandseinsätze in Frage stellt. Mit so einer Partei kann man keine verantwortliche Außenpolitik machen. Dort, wo solche Positionen keine entscheidende Rolle spielen, klappt das Bündnis aber. Rot-Rot funktioniert nicht nur in Schwerin, sondern auch in Berlin zufrieden stellend.

Was muss passieren, damit in Zukunft eine linke Mehrheit der Deutschen auch von einer linken Regierung regiert wird?

Es macht wenig Sinn über linke oder rechte Mehrheiten zu sprechen. Regiert werden muss von einer Regierungsmehrheit – und die muss zusammengeschmiedet werden. Die Frage ist: Was sind die Probleme, die gelöst werden müssen, und traut man sich zu, das gemeinsam zu schaffen. Verantwortung zu übernehmen bedeutet: zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu trennen und nicht den Wunsch, sondern die Realität zu gestalten.

Kurzzeitig schien denkbar, dass eine Jamaika genannte Koalition Verantwortung übernimmt. Dann hätte der Osten eine neue Chance bekommen: mit der Sonderwirtschaftszone der FDP. Sind Sie nun traurig, dass die nun nicht zustande kommt und stattdessen eine große Koalition das Land regieren wird?

Wir haben längst eine Art Sonderwirtschaftszone: Investitionsförderung oder Investitionszulagen gibt es nur in Ostdeutschland.

Die FDP wollte anderes Planungsrecht, die Aufgabe des Kammerzwangs, sogar andere Steuersätze.

Alle juristischen Prüfungen solcher Schritte haben ergeben: Das ist nicht verfassungskonform. Zudem beginnt diese Diskussion am falschen Ende: Wir haben ein Handlungsdefizit, kein Gesetzesdefizit. Man kann auf der administrativen Ebene bereits heute sehr viel machen. Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls zeigt: Genehmigungsverfahren kann man sehr schnell durchführen.

INTERVIEW: NICK REIMER