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Archiv-Artikel

Das Montagsinterview„Man muss etwas anderes erfinden“

René Block hat viele bekannte Künstler entdeckt. Die unbekannten sind ihm aber genauso wichtigKUNST ODER KOMMERZ Der Galerist, Sammler und Kurator René Block hat viele der renommiertesten zeitgenössischen Künstler entdeckt. Dennoch hat er sich immer dem Kunstmarkt widersetzt. Ein Gespräch über Freiheit, radikale Äußerungen und Langeweile in der Kunst

René Block, 67

■ Als 22-Jähriger eröffnete Block auf der Berliner Kurfürstenstraße das „Grafische Cabinet René Block“ und eine Ausstellung unter dem Titel „Neodada, Pop, Decollage, Kapitalistischer Realismus“, in der unter anderem Arbeiten von Joseph Beuys, Nam June Paik, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Wolf Vostell zu sehen waren.

■ Zehn Jahre später eröffnete er mit der legendären Aktion „I like America and America likes me“, bei der Joseph Beuys vier Tage lang mit einem Kojoten zusammenlebte, eine Galerie in New York.

■ Seit 2008 ist er Honorarprofessor an der Hochschule für Künste Bremen. Bis zum 3. Januar 2010 sind Teile seiner Sammlung unter dem Titel „Who killed the Painting?“ in der Weserburg, Museum für moderne Kunst in Bremen zu sehen. Foto: Jan Zier

INTERVIEW JAN ZIER

taz: Herr Block, sind Sie überhaupt ein Sammler?

René Block: Ich habe immer Dinge aufgehoben, das ist ja eine der urmenschlichen Eigenschaften, neben dem Jagen.

Dabei haben Sie schon früh viele entdeckt, die in der Kunst Rang und Namen haben: Gerhard Richter, Joseph Beuys, Nam June Paik, Sigmar Polke, um nur einige zu nennen.

Erwähnt werden immer nur die „Großen“. Für mich sind aber die anderen genauso wichtig. Ich habe da keinerlei Prioritäten. Was mich interessiert, das ist die Vernetzung der Künstler innerhalb bestimmter Zeiträume.

„Wenn man eine Galerie hat, kann man nicht sammeln“, haben sie mal gesagt.

Man würde leicht in den Konflikt geraten, bestimmte Werke für sich selbst zu reservieren. Als ich meine Berliner Galerie 1979 nach 15 Jahren geschlossen habe, sind eine ganze Reihe von interessanten Arbeiten noch im Bestand gewesen. Aber erst Mitte der 80er Jahre habe ich überlegt, dass diese Ansammlung die Basis einer Sammlung sein könnte. Von da an habe ich dann konsequent das eine oder andere Werk hinzugekauft. In der Regel von Künstlern, mit denen ich als Kurator an Projekten gearbeitet habe.

Von Ihnen heißt es, Sie sind ein „begnadeter Galerist“, aber ein „lausiger Kunsthändler“.

Das „lausige“ ist sicher richtig. Als die Künstler der ersten Stunde etabliert waren, stand ich vor der Frage war: Verdiene ich jetzt viel Geld mit ihnen – oder mache ich etwas anderes. Ich habe mich für Letzteres entschieden.

Sehr bescheiden für einen, der als „Impresario“, als „Legende“ beschrieben wird.

Das ist nicht meine Sprache.

Hätte man nicht mit dem Geld, dass dann etwa mit Gerhard Richter zu verdienen war, andere fördern können?

Das bezweifele ich. Man kann sich dem Mechanismus des Marktes dann nicht entziehen.

Weil er einen korrumpiert?

Letztlich: Ja. Auch weil er die weitere Arbeit prägt. Man muss sich als Händler mit einer bestimmten gesellschaftlichen Elite beschäftigen.

Anderenorts bekommen heute immer mehr Sammler ein eigenes Museum gebaut. Hätte Sie das auch gereizt?

Reizen würde das schon, aber ich bin auch Realist. Es ist ja schon wunderbar, dass Teile der Sammlung jetzt im Neuen Museum in Nürnberg untergebracht sind und ein für Istanbul geplantes Museum Teile übernehmen wird, wobei ich aber immer darauf achte, dass der Charakter der Sammlung, die Vernetzung, erhalten bleibt.

Erstmals sind Werke aus Ihrer Sammlung in der Bremer Weserburg vertreten, und Sie sind Honorarprofessor an der Hochschule für Künste. Der Anfang einer längeren Beziehung?

Das würde mich freuen. Da ich gerne mit jungen Menschen arbeite, habe ich das Angebot der Kunsthochschule mit Freude angenommen.

Ihre Sammlung gründet sich auf die „Fluxus“-Bewegung …

Eine historische Bewegung der 60er Jahre, die viel initiiert hat, das wir heute gar nicht mehr mit „Fluxus“ identifizieren: Die Performance-Kunst, die Konzept-Kunst, letztlich auch die Video-Kunst haben hier ihren Ursprung.

Fluxus war ja vor allem eine Bewegung wider das Establishment. Wo ist das heute?

Ich sehe nicht, dass es eine entsprechende Motivation heutzutage gäbe. Im Gegenteil: Die heutige Kunstszene ist sehr stark kunstmarktbeherrscht. Man erreicht letztendlich aber auch nichts durch Verweigerung – weil man dann gar nicht wahrgenommen wird.

Und Joseph Beuys?

Der hat sich dem System nicht verweigert. Er hat es strategisch benutzt, um seine Botschaften zu verbreiten. Er hat sich eine Position erarbeitet, von der er gehört worden ist.

Wäre nicht gerade heute eine Bewegung wider die Kunstmarktfixiertheit nötig?

Das müssen die Künstler entscheiden. Ich verweigere mich weitgehend dem Marktgeschehen. Ich gehe auch nur selten auf Kunstmärkte.

Aber Sie haben die „Art Cologne“ mitbegründet, heute der Inbegriff der kommerzialisierten Kunst.

Der „Kölner Kunstmarkt“ ist 1967 aus ganz idealistischen Gründen ins Leben gerufen worden. Er hat sich nur anders entwickelt, zur Überraschung aller Beteiligten. Die Grundidee war, sich in einem damals dezentralisierten Land einmal im Jahr an einem Ort zu treffen und Informationen auszutauschen.

Bereuen Sie, was aus Ihrem Projekt geworden ist?

Die ersten vier Kölner Kunstmärkte waren Meilensteine für die deutsche Kunst. Das ursprüngliche Modell war demokratisch: Die Kojen wurden verlost und waren alle gleich groß. Der finanzielle Beitrag war für alle gleich und sehr gering. Sonst hätte ich doch gar nicht teilnehmen können. Das ist alles vorbei.

Kann man die demokratische Idee wieder beleben?

Nein. Die Zeiten haben sich geändert. Man muss etwas anderes erfinden, aber das ist nicht mehr meine Aufgabe, sondern die der jungen Generation.

Sie sehen sich nicht mehr in der Rolle, das Innovative hervorzubringen?

Nicht, was den Kunstmarkt betrifft. Mein derzeitiges Engagement gilt in Berlin einer Plattform für zeitgenössische türkische Kunst. Da sehe ich im Moment meine Aufgabe, im Einsatz für eine neue noch weitgehend unentdeckte Künstlergeneration. Aber irgendwann werden auch diese Künstler bekannt sein – und ich schaue mich nach was Neuem um.

Weil es dann Mainstream wird?

Weil ich dann vielleicht wieder an anderen Stellen gebraucht werde. Mich interessieren vor allem radikale künstlerische Äußerungen.

Und die fehlen heute in der deutschen Kunst?

Eigentlich schon. Es ist heute im Grunde ziemlich langweilig.

Weil die Freiheit zu groß ist?

Weil die westlichen Künstler alles tun können. Es gibt keine Widerstände. Womit soll sich der Künstler da auseinandersetzen? Er kann nur schöne Bilder malen und versuchen, sie zu verkaufen. Es gibt nur wenige Ausnahmen.

Zugleich ist die Dominanz privater Sammler viel größer als früher. Wie verändert das die Kunst?

Es gab in den 60er Jahren nicht den Star, den reichen Künstler, wie es ihn heute gibt. Es war alles bescheidener, solider. Heute sind die Auktionsberichte mit ständigen Preisrekorden eigentlich aufregender als Großveranstaltungen wie die „documenta“.

Sie interessieren sich für das „Periphere“. Wie kamen Sie da gerade auf die Türkei?

1991 war ich zum ersten Mal in Istanbul, zu einem Beuys-Symposium. Türkische Kunst, die ich bis dahin kannte, war sehr dekorativ. Ich war überrascht, Künstlern, vorwiegend Künstlerinnen zu begegnen, die sozialkritisch arbeiteten und sich gegen die gesellschaftlichen Zwänge und politischen Zustände wehrten. Ich entdeckte eine Avantgarde im Untergrund. Das erinnerte an den eigenen Anfang 1964.

Damals hatten Sie, wie Sie es nannten, eine „Kampfgalerie“.

Heute kämpfe ich nicht mehr so wie in der Sturm und Drang-Periode der 60er Jahre. Etwas gereifter, bin ich nun in der Lage, Setzungen machen zu können.

Ist das eine Form von Macht?

Wenn Sie so wollen: Ja. Aber die so genannte Macht bedeutet in erster Linie doch Verantwortung.

„Kunstwerke sollten jedermann zugänglich werden, sowohl inhaltlich verständlich wie auch finanziell erschwinglich“, haben Sie mal gesagt.

Das sollte auch immer noch so sein. Das war eine der grundlegenden Ideen hinter der Produktion von „Multiples“, die in den 60er Jahren meist von jungen Leuten gekauft wurden. Die später als „Das Rudel“ bekannte Arbeit von Beuys, jener Volkswagenbus aus dem 24 Schlitten springen, sollte 1969 auf dem Kölner Kunstmarkt 110.000 Mark kosten, so viel wie ein Warhol-Bild. Das war ein strategischer Preis. Zugleich gab es den Schlitten auch als Multiple: 50 Stück für je 300 Mark. Die sind damals von Privatleuten gekauft worden, nicht von den Museen. Die müssten heute 120.000 Euro oder mehr zahlen.

Ist das nicht die Perversion der Idee des Multiples?

Das ist eben das Marktgesetz.