: Der letzte alte Schwede
Anfangs saß Marcus Ahlm noch etwas zurückhaltend in der Spielerkabine der Ostseehalle. Um ihn herum feierten seine Mannschaftskameraden schon ausgelassen den ersten Champions League-Sieg des THW Kiel überhaupt, gerade errungen im Rückspiel gegen den Erzrivalen aus Flensburg. Es war der 29. April 2007 und Ahlm hatte nicht helfen können wie sein schwedischer Landsmann Stefan Lövrgren, der noch durch eine Wunderheilung spielfähig geworden war. Ahlms dagegen setzte eine im Halbfinale erlittene Sehnenverletzung außer Gefecht bis zum Saisonende. Doch die Mitspieler ließen auch ihn hochleben und später vor der Halle war Ahlm genauso nass vom Siegersekt wie alle anderen.
Bei den Champions-League-Siegen 2010 und 2012 hat der Weltklasse-Kreisläufer dann als Kapitän den Pokal als erster den Fans präsentiert. 2009 übernahm er die Binde von Stefan Lövgren, und wenn Ahlm jetzt wie angekündigt am Ende der Saison den THW Kiel nach zehn Jahren verlässt, ist die Ära der alten Schweden in Kiel vorerst vorbei. Mit Rechtsaußen Nikals Ekberg und Torwart Andreas Palicka tragen immerhin zwei junge das blau-gelbe Staffelholz weiter.
Die Ära begann 1990 mit dem Weltjahrhunderthandballer Magnus Wislander, mit dem Ahlm oft verglichen wird, obwohl jener erst am Karriereende Kreisläufer wurde, seine größten Erfolge aber als Aufbauspieler im Rückraum feierte. Noch heute hängt sein Trikot mit der Nummer 2 unterm Dach der Ehrentribüne.
Mit Wislander zusammen bildete Stefan Olsson bis 2003 die weltberühmte schwedische Achse beim THW, die 1999 zum Dreieck wurde, als Rückraumspieler Stefan Lövgren dazukam, schon in jungen Jahren „den gamle“ genannt – „der Alte“.
Als Marcus Ahlm 2003 von Ystad HK zum THW stieß, war von der Schweden-Garde nur noch Lövgren da. Wie seine Landsleute war Ahlm mit seiner klugen, ruhigen Art auch für den Zusammenhalt der Mannschaft wichtig. Und er war, wie die anderen Schweden, ein Bollwerk in der Abwehr. Seinen einzigen großen Titel mit der Nationalmannschaft hatte er schon vor der Kieler Zeit errungen: den Europameistertitel 2002.
Weggehen wollte Ahlm schon 2011, um sich mit seiner Familie eine berufliche Existenz in seiner Heimat aufzubauen: In Kiel hat der heute 34-Jährige neben dem Handball Chemie studiert. Auf Bitten des THW blieb er noch. Die restlichen Spiele wird er nutzen, um seine Nachfolger am Kreis – Rene Toft Hansen und Patrick Wiencek – in die Kieler Spielsysteme einzuweisen. Sein Abschiedsspiel indes dürfte genauso tränenreich werden wie die der anderen Schweden am Kieler Fjord. RLO