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Ausschuss ohne Kenner

WAHL-RECHT

Dümmer kann’s eigentlich gar nicht kommen: Am 29. September tritt erstmals der neue Wahlrechtsausschuss in Bremen zusammen – und ausgerechnet Wilko Zicht fehlt. Am Donnerstag vergangener Woche nämlich hat der Grünen-Abgeordnete sein 2015 errungenes Mandat abgegeben.

Die Bremer Staatsanwaltschaft, die den aufmüpfigen Innenpolitiker und Fan-Aktivisten schon lange auf dem Kieker hatte, war dank Tipps des FBI endlich fündig geworden war. Am Mittwoch war – dreimal ist Bremer Recht – erneut seine Immunität aufgehoben worden. Am Donnerstag wurde dann seine Wohnung durchsucht. Und die Einsatzkräfte hoben ein gigantisches Drogenlager aus: 6 – in Worten: sechs – MDA-Tabletten, deren Existenz Zicht offenbar selbst vergessen hatte, fanden die Kriminalisten in irgendeiner Ritze. Woraufhin Zicht abtrat.

Schließlich müsse ein Abgeordneter sich an Recht und Gesetz auch dann halten, wenn er „die aktuelle Gesetzeslage nicht für richtig und in punkto Drogenpolitik für gescheitert“ hält, teilte er mit.

Wie sehr die Staatsanwaltschaft die Drogenkriminalität dadurch eingedämmt hat, ist schwer zu ermessen. Ein herber Schlag ist ihr aber gegen die Grünenfraktion gelungen – und gegen den Ausschuss. Der soll Ideen entwickeln, wie sich die Wahlbeteiligung erhöhen ließe, und zugleich Heilungswege für die Probleme des neuen Wahlrechts – etwa die Verdreifachung des Anteils ungültiger Stimmen – entwickeln.

Zicht, der lange vor seiner Abgeordnetenzeit das Hamburger und das Bremer Bürgerschaftswahlrecht maßgeblich mitkonzipiert hat, ist ausgewiesener und bundesweit gefragter Experte in dieser für Demokratie zentralen, aber komplexen Materie. So hatte das Bundesverfassungsgericht aufgrund von Zichts Beschwerde das Bundestagswahlrecht für teilweise grundgesetzwidrig erkannt. Und dank seiner auch das läppische Rumgedoktere des Bundestags am Wahlrecht 2012 als nicht ausreichend verurteilt, um diesen Mangel abzustellen. bes

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