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Nicht von dieser Welt

Oh no! Angelina Jolie und Brad Pitt waren, was alle sein wollen: aufregend, sexy – und auch noch furchtbar engagiert. Jetzt wissen wir: Sie sind doch nur wie du und ich

Können sich nicht mehr sehen: Angelina Jolie und Brad Pitt Foto: Facundo Arrizabalaga/dpa

von Julia Lorenz

Los Angeles brennt. Dabei ist weder ein Selbstmordattentäter in die Hollywood Hills gekracht (gut) noch Donald Trump zurückgetreten (schade). Es scheint weit ernster: Angelina Jolie und Brad Pitt lassen sich scheiden.

Nach zwölf Jahren Beziehung, zwei Ehejahren, gemeinsamen Filmen und ungezählten Gala-Auftritten reichte Jolie nun die Scheidung von ihrem Schauspielkollegen ein, wie üblich wegen „unüberbrückbarer Differenzen“. Jolie soll laut Pitt Berichten Alkohol- und Drogenmissbrauch vorwerfen, seine strengen Erziehungsmaßnahmen nach Angaben des Promi-Portals TMZ gar als Gefahr für die sechs gemeinsamen Kinder Vivienne, Pax, Maddox, Knox, Shiloh und Zahara betrachten. Das alleinige Sorgerecht habe Jolie bereits beantragt.

Es sollte nicht der Rede wert sein, dass zwei Menschen sich scheiden lassen; mehr als 60 Prozent aller Paare in den USA tun das. Aber Jolie und Pitt, in den Medien zum Zwitterwesen „Brangelina“ verschmolzen, waren nie ein normales Paar – sie waren nicht von dieser Welt. Ihre Scheidung bedeutet das Ende einer mit Erwartungen überfrachteten Beziehung.

Gestartet war das Verhältnis, wie es verlaufen sollte: filmreif. Beim Dreh zum AgentInnenfilm „Mr. und Mrs. Smith“ im Jahr 2004 begannen Jolie und Pitt, der damals noch mit der Schauspielerin Jennifer Aniston verheiratet war, eine Affäre. Jolie, berühmt geworden mit der Videospielverfilmung „Tomb Raider“, gab den Archetyp der brutal schönen Hexe ab: tätowiert, zweifach geschieden, Hang zu Eskapaden, die perfekte Antagonistin für die nette „Friends“-Darstellerin Aniston. Lara Croft trat in den Klatschspaltenkampf gegen die blonde RomCom-Fee – und gewann. Noch jahrelang sollte die Regenbogenpresse Aniston unterstellen, diese Niederlage nie verwunden zu haben.

„Brangelina“ glückte in Folge der Wandel zum Sympathieträgerpaar. Pitt avancierte zum Charakterdarsteller, Jolie schwamm sich als Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin vom Agent-Provocateur-Image frei, wenn sie nicht gerade als Sondergesandte des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR oder für andere soziale Projekte durch die Welt jettete. Für Hollywood untypisch auch die Familienplanung des Paars: Drei Kinder adoptierte Jolie, drei leibliche bekam sie mit Pitt.

Die Großfamilie Jolie-Pitt wurde zur Moralinstanz, zum guten Gewissen der Glitzerwelt. Nachdem ihre Mutter und Tante an Brustkrebs gestorben waren, ließ sich Jolie vorsorglich die Brüste entfernen – und sprach darüber. Ein Tabubruch in Hollywood, ein großer Dienst für Frauen mit ähnlichen Krankheitsgeschichten. Als Pitts und Jolies Tochter Shiloh Nouvel beschloss, lieber John zu heißen, zogen die Eltern einen Transgender-Experten zu Rate, um ihr Kind besser verstehen zu können. Jolie und Pitt waren, was alle sein wollen: aufregend, sexy – und auch noch furchtbar engagiert. Übermenschen mit ein bisschen Schmutz unter den Nägeln, die Projektionsfläche für jedermanns Träume. Und so schmerzt es die Welt, wenn sich die Säulenheiligen Hollywoods nun öffentlich diskreditieren: Jolie habe mit ihrer Entscheidung „die Hölle entfesselt“, soll Pitt geätzt haben.

Das Ende mag unwürdig erscheinen. Vielleicht aber ist es ein Befreiungsschlag für „Brangelina“, nunmehr zurückgeworfen auf ihre Präjahrhundertpaar-Identität. Der um sie gesponnene Mythos hat der Welt ein Versprechen gegeben, das zwei Menschen nicht einhalten können. Angelina Jolie und Brad Pitt sind kein Paar mehr – sie sind wieder Menschen.

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