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Archiv-Artikel

Raus aus der Döner-Nische

Eine neue Studie zeigt: Die Zahl der türkischen Unternehmer in Berlin steigt, aber ihre Umsätze sinken. Neben Gastronomie und Handel erobern sie neue Geschäftsfelder. Stärkere Einbindung in Berliner Wirtschaft

Streng genommen darf man die Firma „ISOGON Fenstersysteme GmbH“ gar nicht als ein türkisches Unternehmen bezeichnen. Denn in der Firmenzentrale in der Neuköllnischen Allee stammen von den insgesamt 40 MitarbeiterInnen nur zwei aus der Türkei. Einer von ihnen ist Tigiloglu Kaya. Weil Kaya jedoch Gründer und Geschäftsführer des seit 1983 bestehenden Unternehmens ist, wird ISOGON im Register der Türkisch-deutschen Unternehmensvereinigung Berlin-Brandenburg (TDU) geführt.

Kayas Unternehmen ist kein Einzelfall. In der Stadt gibt es aktuell etwa 6.000 Betriebe mit türkischstämmigen Eigentümern – zehn Prozent mehr als 2001. Das geht aus einer Untersuchung des Zentrums für Türkeistudien hervor, die gestern von Berlins Integrationsbeauftragten Günter Piening vorgestellt wurde. Demnach beschäftigen 22 Prozent der befragten Firmen neben türkischen auch deutsche Mitarbeiter, 11 Prozent haben sogar nur deutsche Angestellte. Türkischstämmige Unternehmer sind stärker denn je in das Wirtschaftsleben eingebunden, fasste Piening das Ergebnis zusammen. Insbesondere in den Kiezen würde sie längst ein unverzichtbares „ökonomisches Rückgrat“ bilden. Trotz der allgemein schlechten Lage wollen immerhin 29 Prozent neue Mitarbeiter einstellen.

Aber auch die Branchenstruktur hat sich verändert. So ist der Studie zufolge der Anteil von Betrieben in den Bereichen Gastronomie und Einzelhandel gesunken. Piening: „Die türkischen Unternehmen kommen raus aus der Döner-Nische.“

Insgesamt 300 Unternehmen hat das Institut befragt, beschränkte sich jedoch nur auf die Selbstständigen türkischer Herkunft, da eine Vergleichsuntersuchung aus dem Jahr 2001 vorliegt. Demnach hat vor allem die Zahl selbstständiger Handwerker zugenommen. Dirk Halm vom Zentrum für Türkeistudien führt das auf veränderte Rahmenbedingungen zurück. So hätten die Ich-AG und der Wegfall des Meisterzwangs zu einem wahren Gründungsboom in vielen Handwerksberufen geführt.

Trotz der Zunahme an Unternehmen hat die Wirtschaftsflaute in Berlin auch bei den türkischstämmigen Unternehmern Spuren hinterlassen. Viele Gründer mussten ihre Betriebe innerhalb der ersten drei Jahre wieder aufgeben. Schwierigkeiten meldeten auch Firmen, die länger als zehn Jahre existieren. Setzten die befragten Unternehmen 2001 noch durchschnittlich 410.000 Euro um, waren es im vergangenen Jahr nur noch 385.000 Euro.

Piening kritisierte, dass ein großer Teil der türkischen Existenzgründer keinen Zugang zu Beratungsmöglichkeiten des Senats und der Kammern habe. Deshalb will er sich in den kommenden Monaten dafür stark machen, eine stärkere Kooperation zwischen dem Quartiersmanagement in den einzelnen Kiezen und der Wirtschaftsförderung zu initiieren.

Fragt man ISOGON-Chef Kaya, nennt er ganz andere Mängel. Die öffentliche Hand habe es anscheinend nicht nötig, Berliner Unternehmer zu bevorzugen, glaubt Kaya. Während in anderen Regionen der Zusammenhalt enger sei, vergebe man in der Hauptstadt die Aufträge global. Es zähle allein das Kriterium, wer am billigsten ist. Dass dabei nicht nur weniger Steuern in die Haushaltskassen fließen, sondern die Stadt auch Arbeitsplätze verliert, werde dabei nicht einkalkuliert. Kaya: „Berlin ist ja leider oft provinziell. Aber gerade in diesem Punkt macht die Verwaltung auf Weltstadt.“ FELIX LEE