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Archiv-Artikel

Agrar & Umwelt: Grünes Erbe

von HANNA GERSMANNund BEATE WILLMS

Was vom rot-grünen Reformprojekt der letzten Jahre übrig bleibt, wird sich besonders in den früheren grünen Ministerien für Umwelt sowie für Landwirtschaft und Verbraucher zeigen. Die bisherigen Minister Trittin und Künast haben die Bedeutung der beiden Ressorts entscheidend vergrößert – indem sie den Zuschnitt veränderten. Nun haben sich SPD und Union das grüne Kernerbe aufgeteilt.

Der neue SPD-Umweltminister wird am Kabinettstisch einiges zu sagen haben. Jürgen Trittin hatte die Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien in sein Ministerium geholt. Das Ressort ist somit für die gesamte Klima- und Energiepolitik einschließlich der Reaktorsicherheitspolitik verantwortlich. Wie Franz Müntefering gestern bestätigte, wird das auch so bleiben. Daneben wird auch die Chemiepolitik weiter auf der Agenda stehen, wo die EU eine Reform plant, um Mensch und Umwelt besser vor Giften zu schützen.

Welche Zukunftsfragen ansonsten groß bespielt werden, ist noch offen. Viel hängt davon ab, wer Minister wird. Lanciert wurden gestern drei Namen: Hermann Scheer, Sigmar Gabriel und Michael Müller. Scheer hat sich bislang vor allem als Fachmann für erneuerbare Energien profiliert. Sowohl in der eigenen Partei als auch bei Umweltverbänden gilt er als „Monomane“. Gabriel hat sich bislang in Umweltfragen noch überhaupt nicht positioniert, er würde lediglich den Proporz als Nachwuchspolitiker aufhübschen. Inhaltlich am breitesten aufgestellt wäre Michael Müller. Der SPD-Linke tummelt sich seit Jahren in allen Bereichen der Umweltpolitik und kennt sich sowohl im Klima- als auch im Naturschutz aus. Er würde vermutlich am engsten an die Linie von Trittin anknüpfen. Als bisheriger Fraktionsvize hat er zudem Durchsetzungsstärke bewiesen. Diese wird er als Umweltminister in einer großen Koalition brauchen.

Das Agrar- und Verbraucherministerium wird dagegen künftig weniger öffentlichkeitswirksam sein. Die Union, die es übernehmen wird, hatte im Wahlkampf mit einer Anti-Künast-Politik geworben: Verbraucher sollen laut Union künftig nicht mehr „bevormundet“, die Biobauern weniger gefördert und die grüne Gentechnik vorangetrieben werden. Minister wird ein Fachfremder: Horst Seehofer, der in Bayern schon länger für den Posten gehandelt wurde. Bislang hatte er auf Anfragen gekontert, man solle „machen, wovon man etwas versteht“ – was viele als Absage interpretiert hatten. Immerhin hat der CSU-Mann bislang nie etwas über Milchpreise oder Fleischexporte verlauten lassen. Und er wäre der erste Unions-Landwirtschaftsminister, der dem Berufsstand nicht angehört. Das allerdings war bei seiner grünen Vorgängerin nicht anders – und hat sich bewährt. Ein Minister, der wie der Gesundheits- und Sozialexperte Seehofer aus einem ganz anderen Bereich kommt, sollte Distanz zum mächtigen Bauernverband mitbringen. Zudem ist Seehofer ein Politiker, der als widerstandsfähig gegen Lobbyismus gilt. Er hat mit einer großen Sorge der Landwirte zu tun: der Agrarsozialpolitik. Auf einen aktiven Landwirt kommen laut Statistik 1,8 Bauern in Rente – dies Problem der Alterssicherung packte noch keiner an.