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Monster sind die besseren Eltern

NACHWUCHSPFLEGE Im Fernsehen erreicht „Molly Monster“ jeden Tag Millionen. Jetzt kommt das freche Dinosauriermädchen als Animationsfilm ins Kino. Entstanden ist der zu einem großen Teil in Hannover

von Wilfried Hippen

Die Leute von der „Nordmedia“ sind stolz auf ein niedliches Dinosauriermädchen. Keine große, internationale Spielfilmproduktion hat die gemeinsame Filmförderanstalt Niedersachsens und Bremens aufs Cover ihrer Publikation mit den im vergangenen Jahr fertiggestellten Produktionen gepackt, kein Standbild also aus „Fritz Lang“ oder „Lou Andreas-Salomé“. Stattdessen eine Szene aus „Ted Sieger’s Molly Monster“, einem Animationsfilm für Kinder im Alter zwischen drei und sieben Jahren.

Bemerkenswert ist das schon deshalb, weil Kinderfilme – vor allem die für sogenannte „Erstkinogänger“ – kaum ernst genommen werden: In der Branche nicht und auch nicht von der Kritik. Schon Achtjährige rümpfen schnell mal die Nase, wie „Molly Monster“-Produzentin Alexandra Schatz bei der diesjährigen Berlinale erfahren musste: Da beschwerte sich ein Zuschauer, vielleicht ein bis zwei Jahre zu alt, um noch ein „Erstkinogänger“ zu sein – darüber, dass es in ihrem Film keine „Maschinenpistolen“ gebe.

Dabei kann „Molly Monster“ sogar auf eine Art Stammpublikum zählen: Insgesamt 52 Folgen, jeweils fünf Minuten lang, liefen in der täglichen Kika-Zubettgehsendung „Unser Sandmännchen“, und die erreicht mit 1,3 Millionen regelmäßigen Zuschauern stolze 70 Prozent der Altersgruppe. Zudem wächst beständig Publikum nach. Nach der Premiere auf der Berlinale wurde „Molly Monster“ in über 50 Länder verkauft und kommt auch in Frankreich, China, Spanien und Südkorea in die Kinos.

Der liebevoll gestaltete und gelungene Film erzählt davon, dass Monster die besseren Eltern sind, denn so glücklich und unbeschwert wie die kleine Molly wird kaum ein menschliches Kind aufwachsen. Das grüne Dino-Mädchen mit dem Zackenschwanz und der roten, über ihrem Kopf schwebenden Schleife lebt in einer fantastischen, bunten Welt. Da kann ihr Lieblingsspielzeug Edison zugleich ihr bester Freund sein: Mit ihm redet sie und treibt Schabernack – so lange nur der Schlüssel in seinem Rücken immer schön aufgezogen ist. Die lustigen Abenteuer der selbstbewussten, fröhlichen Titelheldin spiegeln im Grunde Familiensituationen wider, die auch Menschenkindern vertraut sind.

Erdacht und gezeichnet hat diesen also nur auf den ersten Blick fremden Kosmos der Schweizer Autor und Zeichner Ted Sieger. Er wollte sein Kinderbuch unbedingt verfilmt sehen und so sprach er die in Hannover lebende Regisseurin Alexandra Schatz an, die spezialisiert ist auf Animationsfilme für Vorschulkinder. Zusammen arbeiteten die beiden 2004 mit „Die kleine Monsterin“ zuerst an einem Kurzfilm, zwischen 2009 und 2011 folgten die „Sandmännchen“-Episoden. Für Alexandra Schatz war das eine so große Eigenproduktion, dass sie am Klagesmarkt im Zentrum von Hannover eigens ein kleines Studio aufbaute; hier arbeiteten zeitweise mehr als ein Dutzend Mitarbeiter. Weil die Nordmedia eine der größten Geldgeberinnen war, musste das ganze zu einem entsprechend großen Anteil in Niedersachsen hergestellt werden – ein gutes Beispiel dafür, wie staatliche Filmförderung eine bescheidene, aber solide Infrastruktur ermöglicht.

Alexandra Schatz hat in den 80er-Jahren an der Hochschule für Künste in Braunschweig studiert: Film und Fotografie, aber auch Kunstpädagogik. Danach begann sie, in Workshops gemeinsam mit Schülern Trickfilme zu entwickeln. Einer davon lief dann sogar auf der Berlinale, aber die Redaktion des WDR weigerte sich, ihn im Kinderprogramm zu zeigen – weil „Kinder keine von Kindern gemachte Filme sehen wollen“, so wurde ihr beschieden.

Kinderfilme werden kaum ernst genommen von der Branche und der Kritik

Mit der Absage kam aber auch das Angebot, selbst Regie zu führen: bei kleinen Animationsfilmen für „Die Sendung mit der Maus“. 30 Jahre lang machte Schatz nun solche Auftragsarbeiten für die „Maus“. Als der WDR diese Jobs ausgliederte, musste sie die Filme selbstständig produzieren, wurde also aus der Not heraus selbst zur Produzentin.

Und eben hier liegt vielleicht Schatz’wahres Talent. „Stoffe entdecken, entwickeln, finanzieren und dafür Netzwerke aufbauen“: So definiert die inzwischen 59-Jährige ihre Arbeit. Das Beispiel „Molly Monster“ zeigt, wie vielschichtig und verzweigt eine solche Produktion sein kann. Nach dem Erfolg der Fernsehserie war ein Kinofilm eigentlich nur der nächste logische Schritt. Und mit den schweizer und schwedischen Fernsehanstalten, die die Fernsehserie koproduziert hatten, gab es sogar schon zwei internationale Partner. Auch dabei war ein irischer Drehbuchautor, John Chambers, der auch schon für die Serie gearbeitet hatte. Und die eigentliche Animation, also die Fleißarbeit, erledigte ein Studio mit über 60 Beschäftigten in Taiwan. In Hannover wiederum besorgten bis zu 15 Fachleute einen großen Teil der künstlerischen Arbeit, darunter eine Spezialistin für „Color Supervising“, die nur dafür verantwortlich ist, welche Farben die Figuren, Hintergründe und Requisiten erhalten.

Dass die Arbeit der Produzentin Alexandra Schatz aber auch kreativ ist, erkennt man unter anderem daran, dass sie jene Personalentscheidung traf, die auch ein erwachsenes Publikum aufmerksam werden lassen könnte: Schatz hat die Schauspielerin Sophie Rois dafür engagiert, die Titelheldin zu synchronisieren. Und durch ihre freche, kratzbürstige Stimme, die nie kindisch wirkt, wird das kleine grüne Monster noch etwas lebendiger – nicht nur für Vierjährige.

„Molly Monster“ startet heute bundesweit in den Kinos

www.mollymonster-derkinofilm.de

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