KUNSTRUNDGANG : Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um
Was für eine Adresse! Wallstreet One Gallery steht auf der Einladungskarte – ein besseres Aushängeschild für die Symbiose aus Kunst und Geld gibt es nicht. Dabei ist das Gebäude am Anfang der Wallstraße, gleich neben dem U-Bahnhof Spittelmarkt, bloß ein kräftig sanierter Ex-DDR-Bau. Nun dient das frisch geweißte Büro-Ambiente als Plattform für die von Gerold Miller und Gerwald Rockenschaub konzipierte Ausstellung „Passion beyond reason“. Wer die Künstler kennt, ahnt, dass einen dort Minimalismus erwartet: von Sylvie Fleurys Neonröhren-Slogan „High Heels On The Moon“ und Matthew Brannons darken Pikto-Grafiken bis zu Lori Hersbergers angesprayten Styropor-Blöcken. Es gibt dennoch ganz erstaunliche Ausnahmen. Zum Beispiel Karin Sander. Wer hätte gedacht, dass die für ihre blank polierten, monochromen Raum-Installationen bekannte Künstlerin plötzlich kleine naturalistische Figuren schnitzen würde? Jedenfalls ist ihr spielzeuggroßer „Karl Lagerfeld 1:10“ ein toller Fashion-Fetisch. Die zweite Entdeckung sind dann Arbeiten von Kerstin Gottschalk, die quadratische Löcher im Mauerwerk mit Papier aufgefüllt hat. Dicht an dicht stapeln sich die Blätter wie ein abstraktes Muster aus den 1960er-Jahren.
Auch Eran Schaerf hat in der Zwinger Galerie deutlich reduziert. Stühle, eine schwarz lackierte, von innen verspiegelte Box, in der die eigentliche Arbeit der Ausstellung läuft: „Sie hörten Nachrichten“ ist eine Sammlung aus gesprochenen Zeitungstexten, die Schaerf zu einem Hörspiel montiert hat. Es geht um die Undercover-Praxis des israelischen Geheimdienstes, um Verkleidungstaktiken und Camouflage. So entsteht bei Schaerf ein absurdes Drama über Identitätsfindung, dem er im zweiten Galerieraum ein sehr fragiles Selbstbildnis entgegengesetzt hat: Auf dem Siebdruck ist er kaum fünf Jahre alt.