piwik no script img

Archiv-Artikel

local shortcuts

Zbynek Brynych

Wer sich eine Folge einer alten ZDF-Krimiserie anschaut – zum Beispiel „Der Kommissar“ – sollte darauf gefasst sein, dass er sich aufgrund der unerwartet kühnen und modernen Inszenierung verwundert die Augen reibt. Im Abspann einer solchen Episode steht dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit: „Regie: Zbynek Brynych“.

Schon von den späten Siebzigerjahren an, als „Der Kommissar“ samstagnachts als Wiederholung gezeigt wurde, hat sich der Verfasser dieser Zeilen immer mal wieder gefragt, wer denn wohl dieser Regisseur mit dem so gar nicht deutschen Namen sei. Die Antwort darauf gab 1994 schließlich die Zeitschrift Filmwärts, wo Stefan Ertl und Rainer Knepperges – der am 15. 12. (19 Uhr) im Metropolis in Brynychs Werk einführen wird – ein Porträt und ein ausführliches Interview mit dem Regisseur publizierten.

Zbynek Brynych (1927–1995) war ein tschechischer Regisseur und als solcher ein Vertreter der „Neuen Welle“, die – wie jüngst beim Cinefest wieder zu besichtigen – in den Sechzigerjahren von Prag aus frischen Wind in das osteuropäische Kino brachte. Nach Meinung von Antonin J. Liehm war der aus Karlovy Vary stammende Brynych mit seinem Debütfilm „Zizkovská Romance“ („Vorstadtromanze“) 1958 sogar „der Erste, der dem protzigen Pomp und der blutleeren Pose des stalinistischen Superfilms ins Gesicht spuckte“.

Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 kam Brynych in die Bundesrepublik und drehte hier in den ersten zwei Jahren seines Aufenthalts neben vier Folgen für den „Kommissar“ noch weitere Fernseh- und Kinofilme, von deren erfrischender Subversivität man sich nun endlich einmal im Kino überzeugen kann.

Da lassen in „Engel, die ihre Flügel verbrennen“ Nadja Tiller und Susanne Uhlen in einem Münchner Hotel zum apokalyptischen Disco-Beat von Peter Thomas wahlweise ihren niedersten Instinkten freien Lauf oder träumen als verliebte Todesengel von Unschuld und Erlösung. Da lässt Brynych, wieder mit Nadja Tiller, in „Oh Happy Day“ wie Knepperges schreibt, „Dramatisches frei von der Decke hängen wie ein Mobile aus Fleisch und Blumen“. Da legt er mit „Die Nacht von Lissabon“ eine 1938 spielende Remarque-Verfilmung hin, die sich ganz in dessen Geiste der trivialen Muster einer ungeheuer spannenden Liebes- und Abenteuergeschichte bedient, um mit seltener Genauigkeit zu zeigen, wie Intoleranz, Angst und Dummheit sich von Deutschland aus durch Europa fraßen. Da schickt er in „Die Weibchen“ Françoise Fabian in ein äußerst merkwürdiges, von Uschi Glas geleitetes Sanatorium – eingefangen von Charly Steinbergers entfesselter Fischaugenkamera. Und da gibt es Brynychs vier atemberaubende „Kommissar“-Folgen an einem Stück zu sehen: Filme, in denen er, wie Dominik Graf schreibt, „Herbert Reineckers Skripts wie ein rasender Musiker-Virtuose umspielte und ihr tiefdeutsches Herz damit umso nackter für alle sichtbar offenlegte“. Eckhard Haschen

„Bizarre Cinema Expanded: Filme von Zbynek Brynych“ läuft in dieser Woche im Metropolis in Hamburg.