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Ein Platz für Multimillionäre

Golf Nach über hundert Jahren ist der Schnöselsport wieder olympische Disziplin. Dafür wurden extra Teile eines Naturschutzgebiets geopfert. Trotzdem haben viele Topspieler abgesagt

aus Rio de Janeiro Florian Haupt

Die Fahrt geht vom olympischen Park immer geradeaus, und die Aussicht ist immer gleich: Wohntürme. Plötzlich biegt der Bus ab: Rohbauten für noch mehr Wohntürme. Sowie der olympische Golfplatz.

Noch am Montag vor Turnierbeginn, dem ersten offiziellen Trainingstag, waren dort nicht mal die 18 Löcher ausgeflaggt. Auch neben dem Platz wurde eifrig gewerkelt. Den Hochhäusern direkt hinter der Haupttribüne fehlt noch die Fassade. Nicht die Art Fernsehbilder, die das IOC gern produziert, aber gut. Heute wird es trotzdem historisch. Nach 112 Jahren Abwesenheit bringt auch Golf wieder die Jugend der Welt zusammen, und Martin Kaymer findet: Das ist eine richtig gute Sache.

Der US-Open-Champion von 2014 ist bekennender Olympia-Fan; er kam schon letzte Woche und hatte bei der Eröffnungsfeier „Tränen in den Augen“. Nun geht er an dem luftigen, modernen Klubhaus entlang, das mit seinen Loungeecken in all dem Unfertigen aussieht wie ein frisch gelandetes Ufo. Kaymer hat anerkennende Worte für die Veranstalter parat. „Respekt, wie sie den Golfplatz innerhalb von nur zwölf Monaten in so einen Zustand gebracht haben. Da kann sich echt keiner beschweren.“

Nun ja. Eigentlich wurde sich über nichts anderes mehr beschwert.

Mit den technischen Details hat das allerdings in der Tat weniger zu tun. Es geht eher um die Sache an sich. Golf, der Sport von Nobelklubs und Big Business – vielen Kritikern gilt er als Gipfel der Entfremdung, Aufblähung und Kommerzialisierung Olympias. Beispiele für das Schnöselklischee lieferten die Spieler frei Haus. Als der Platz im März fertiggestellt war, wurden sie etwa eingeladen, ihn zu testen und Feedback zu geben. Tim Finchem, Chef der US-Tour, charterte sogar eigens einen Privatjet, um sie binnen 24 Stunden hin- und zurückzufliegen. Kein einziger Profi sagte zu.

Golf bei Olympia

Zeitplan: Vom 11. bis 14. August findet das Herrenturnier statt, die Damen folgen vom 17. bis 20. August.

Mitspieler: Für Deutschland treten Sandra Gál, Caroline Masson, Alexander Cejka und Martin Kaymer an. Letzterer ist mit Platz 52 der Weltrangliste ­aktuell Deutschlands bester Golfer. Er hofft auf eine Goldmedaille. Wer weiß, möglich machen es vielleicht die vielen

Absagen: Viele Topgolfer, darunter Jason Day, Dustin Johnson, Jordan Spieth und Rory McIlroy, verzichteten aus Angst vor dem Zika-Virus oder wegen zu geringer Herausforderung.

Olympia, Höhepunkt der Karriere? Das würde sich gar keiner die Stars zu fragen trauen. Aber vielleicht wenigstens Höhepunkt dieser Saison? Der Weltranglistenelfte Sergio García antwortet, dass es eine „unglaubliche Erfahrung“ sei. Aber er sagt auch: „Der Höhepunkt kommt in anderthalb Monaten.“ Dann steht der Ryder Cup an. Bei dem spielen die Profis übrigens auch umsonst. Die Klischees hauen eben nicht immer hin.

Außer vielleicht, wenn es um Großprojekte in Rio geht. Bürgermeister Eduardo Paes sagte zwar im vorigen Februar: „Ich hasse es, diesen Platz gebaut zu haben.“ Er meinte damit allerdings vor allem die Kritik, die er deshalb einstecken musste. Schließlich sollen es seine langjährigen Amigos aus der Immobilienbranche sein, die mit den neuen Luxuswohnungen am Golfkurs ein Vermögen verdienen werden. Und schließlich war er es, der im Stadtrat ein umstrittenes Dekret durchboxte, wonach der Platz auf Teilen eines Naturschutzreservats errichtet werden durfte.

„Bitte diesen Bereich natürlicher und geschützter Vegetation nicht betreten“ steht zur Gewissensberuhigung dafür auf Schildern selbst vor den winzigsten Wildwuchsflächen zwischen den Spielbahnen. Doch so absurd das wirken mag, in den Teichen gibt es tatsächlich nicht nur Seerosen, sondern auch Kaimane. Am Montag will eine freiwillige Helferin in der Kantine gar einer Anaconda begegnet sein; sie weigert sich seitdem, die Kantine zu betreten. Und die Capybaras sind sowieso längst kein Geheimnis mehr. Bis zu 90 Kilogramm schwer können diese Riesennager werden. Seit der Golfplatz sie um einen Teil ihres Lebensraums gebracht hat, fressen sie sich eben gern mal dort satt.

Apropos Tiere: Der Popularität des Turniers ist auch nicht gerade zuträglich, dass gleich die ersten vier der Weltrangliste wegen Zika abgesagt haben.

Golf, der Sport von Nobelklubs und Big Business – vielen gilt er als Gipfel der Entfremdung

Alex Cejka trägt kurze Hose, er schießt ein paar Bälle auf der Übungswiese. Der zweite deutsche Starter hat schon viel erlebt. Als Kind floh er aus der Tschechoslowakei nach München, und von dort zog er vor so langer Zeit in die USA weiter, dass er mittlerweile einen leichten amerikanischen Akzent hat. Cejka, 45, kennt die Welt, und weil er teils im sumpfigen Florida lebt, auch die Mücken. „Bei so einem Wind fliegen die nicht“, sagt er. Ähnlich professionell wischt er die Absagen zur Seite. „Das Turnier ist immer noch stark genug.“ Vier Runden werden gespielt, am Sonntag ist Finale.

Das klassische Format im Golf. 4 Runden à 18 Löcher. Hätte man einen anderen Modus ausprobiert, wäre er vielleicht gekommen, lästerte der Weltranglistenachte Adam Scott; auch wenn er Olympiagolf am liebsten als Amateurturnier sähe („Das wäre realistischer“). Jedenfalls blieb auch der Australier zu Hause. „Einfach nur ein weiteres 72-Loch-Turnier mit einem schlechteren Feld als sonst, das weckt nicht wirklich mein Interesse.“

In Rio de Janeiro haben die Profis ihre Trainingsschläge gemacht, jetzt geht es wie üblich zum Fahrdienst. Doch halt – wo sind denn die Autos? Von den Rohbauten kommt Maschinenlärm, an den fertigen Bauten wird Mückengift versprüht, und da warten sie also, zusammen mit Cejka noch Padraig Harrington, mehrfacher Major-Sieger, und Paul McGinley, Kapitän des letzten europäischen Ryder-Cup-Teams. Große Namen der Branche, Multimultimillionäre, sie steigen in den Bus zum Athletendorf wie ganz normale Olympiasportler. Ist doch schon mal ein Anfang.

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