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Integration durch Arbeit

INTEGRATION Die Hamburger Handwerkskammer hat eingewanderte Fachkräfte vorgestellt, deren Ausbildungen erst seit 2012 in Deutschland anerkannt werden

von André Zuschlag

Der Hamburger Sofiane Denane ist froh, endlich wieder als Mechatroniker für Anlagentechnik arbeiten zu können. Nachdem er 2002 nach Deutschland gekommen war, musste er einige Jahre als Küchenhilfe und Beikoch arbeiten. „Es ist schön, wieder dem alten Beruf nachzugehen und abends zu wissen, was man am Tag geschafft hat“, sagt er. Der 37-jährige Algerier hatte in seiner Heimat bereits mehrere Jahre als Kälteanlagenbauer gearbeitet. In Deutschland jedoch konnte er seinen Job nicht ausüben – seine Berufsausbildung wurde nicht anerkannt.

Erst seit 2012 gibt es für EinwanderInnen wie Denane die Möglichkeit, ihre berufliche Qualifikation in Deutschland anerkennen zu lassen. In Hamburg erließ der Senat zudem ein Gesetz, das die Beratung und Anerkennung mit zusätzlichen Mitteln fördern soll. Nach vier Jahren wurde nun ein Resümee gezogen. Die Hamburger Handwerkskammer, Teil des Netzwerks zur beruflichen Integration von MigrantInnen, organisierte dafür die Ausstellung „Wir sind angekommen“, in der mit Denane und vier weiteren Fachkräften Erfolgsbeispiele für die berufliche Integration durch das Anerkennungsgesetz präsentiert wurden.

„Wir sehen das Gesetz überaus positiv“, sagt Manon Dunkel von der Handwerkskammer Hamburg. Die Überprüfung ausländischer Berufsabschlüsse könne damit erstmals durchgeführt werden. Neben dem Rechtsanspruch auf Bewertung der Qualifikation innerhalb von drei Monaten ist im Hamburger Landesgesetz zudem ein Anspruch auf kostenlose Beratung festgeschrieben. Seit 2012 haben sich rund 1.900 ZuwanderInnen bei den Beratungsstellen informiert, ein Drittel davon stellte anschließend einen Antrag auf Anerkennung eines Berufsabschlusses.

Dunkel sieht da noch Platz nach oben, ist aber grundsätzlich zufrieden: „Wir haben es hier in Hamburg als Großstadt natürlich viel einfacher, die Leute zu vermitteln.“ Auf dem Land könne es schon schwieriger werden, eine berufliche Pers­pektive für Menschen mit „exotischen Berufen“ zu finden, so Dunkel. Außerdem würde bisher der Bedarf an Pflegekräften auch nicht durch EinwanderInnen gedeckt.

„Wir wollen auf die Interessen des Einzelnen eingehen, aber wir werben für diesen Bereich, auch wenn jemand nur privat Angehörige für längere Zeit gepflegt hat.“ Auch Menschen, die aus ihren Heimatländern fliehen mussten und ihre Berufsnachweise nicht mehr besitzen, können vom Gesetz profitieren. Wer praktisch und theoretisch zeigt, dass er sein Handwerk beherrscht, kann nun auch wieder seinen Beruf ausüben. „Das Gesetz kommt auf die Leute zu, die keinen Nachweis haben“, sagt Dunkel.

Der 31-jährige Ledian Danga ist vor vier Jahren aus Albanien nach Hamburg gekommen. Nach der dreijährigen Ausbildung hatte er dort schon acht Jahre als Lüftungstechniker gearbeitet. „Auch hier wollte ich gerne in meinem Beruf bleiben“, sagt Danga. Zwar seien die technischen Geräte anders als er es aus Albanien kennt, vom Prinzip her jedoch ähnlich.

Dank des dem Gesetz enthaltenden Anspruchs auf ein Stipendienprogramm konnte sich Danga das Anerkennungsverfahren leisten, da er für seine Anpassungsqualifizierung seinen bisherigen Job kündigen musste. Ein zu absolvierendes sechsmonatiges Praktikum überzeugte den Arbeitgeber von seinen Fähigkeiten: Danga erhielt eine Festanstellung.

„Man muss sich auch im Arbeitsleben auf die andere Kultur hier einstellen“

Ledian Danga, Lüftungstechniker

Als Denane 2012 im Internet von der Möglichkeit zur Anerkennung gelesen hatte, sammelte er seine Unterlagen zusammen und ging zur Beratungsstelle. Ziemlich kompliziert sei es auf dem Weg zur Anerkennung anfangs gewesen – Dokumente und Anträge mussten besorgt, die eigenen Abschlüsse übersetzt werden. „Dir wird nichts geschenkt“, sagt Denane, „aber wenn man viel Mut und Kraft investiert, entwickelt sich alles zum Guten.“

Während des Praktikums musste er abends für die Anerkennungsprüfung büffeln. „Viel Mathe und Physik“, sagt er. Ledian Danga berichtet ebenfalls, dass für die vielen Formalien Geduld erforderlich sei: „Man muss sich auch im Arbeitsleben auf die andere Kultur hier einstellen“, sagt er.

Beide sind sich einig, dass das Erlernen einer neuen Sprache die größte Hürde für EinwanderInnen auf dem Weg zu einem Arbeitsplatz ist. „Am besten besucht man zuerst Deutschkurse und versucht dann so viel wie möglich mit Menschen ins Gespräch zu kommen“, sagt Danga. Außerdem sei viel Geduld gefragt. Auf die gestiegenen Flüchtlingszahlen müssten, so Denane, die Behörden besser reagieren. „Die Flüchtlinge wissen ja nicht, dass sie ihren Berufsabschluss anerkennen lassen können“, sagt er. Deshalb müsse das Beratungsangebot ausgebaut werden.

Zumindest bundesweit wird das so langsam getan. „Es freut uns, dass andere Bundesländer jetzt dem Hamburger Modell mit dem Stipendienprogramm folgen“, sagt Arbeits- und Sozialsenatorin Melanie Leonhard dazu. In Baden-Württemberg und Berlin gibt es seit diesem Jahr vergleichbare Programme.

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