Lehrstellenmangel
: Kreis der Plattitüden

Es ist jedes Jahr das Gleiche. Tausende junge Berlinerinnen finden keinen Ausbildungsplatz. Auch das Prozedere ändert sich nicht: Die Industrie zeigt auf jene, die doch einen Arbeitsplatz bekommen haben, und verkauft das als Erfolg. Die Gewerkschaften zeigen auf die Verlierer und sehen die Katastrophe dräuen. Dann wird aufs nächste Jahr gewartet, es könnte ja besser werden. Wachstum schafft Arbeit, verbreitet schließlich die Politik. Doch die deutsche Wirtschaft wächst nicht mehr.

Kommentar von Daniel Schulz

Berlin ist ein Modell für Deutschland. Industriebetriebe spielen hier keine große Rolle mehr – sie produzieren dort, wo sie das billiger können und die Arbeiter weniger Rechte haben. Daher die Jobmisere und der Ausbildungsplatzmangel.

Dabei gibt es genug Arbeit in Berlin. So viele Vereine, freie Projekte und gemeinnützige Vorhaben wie in dieser Stadt gibt es nirgendwo. Es fehlt an Kindergärten und Betreuern für Kranke. Genug zu tun also, nur kann diese Arbeit derzeit nicht angemessen bezahlt werden. Dafür gibt es keine Strukturen, nicht einmal eine Idee. Die Debatte darüber, was heute noch möglich ist bei der klassischen Ausbildung und welche Alternativen es gibt, hat bisher weder Politik noch Wirtschaft erreicht. Stattdessen behauptet die Industrie- und Handelskammer wie immer, wer nur gut genug ausgebildet sei, bekomme schon Arbeit.

Ehemals kapitalismuskritische Parteien wie SPD und PDS glauben im Abgeordnetenhaus ebenso an den Mythos Wachstum wie die im Reichstag – obwohl sie alle das Modell Berlin direkt vor Augen haben .

Wenn sich an diesem Kreis der Plattitüden nichts ändert, werden wir nächstes Jahr die gleiche Trauerrede zum Ausbildungspakt hören. Wollen wir uns das wirklich immer und immer wieder antun? Es wird Zeit für etwas Neues.