Berliner Szenen: Großelterliche Namen
Ganz schön deutsch
Die Pankower Grundschule vom Kind organisiert das alljährliche Fußballturnier. Das heißt, eigentlich organisieren das die Eltern. Als Elternratsvorsitzende und Fußballmutter stehe ich in der Verantwortung und übernehme unter anderem die Anmeldung von knapp zweihundert Kindern.
Mit Julia, die die Urkunden schreibt, gehe ich die Listen durch. „Pankow ist ganz schön deutsch“, stellen wir mal wieder fest. Nur 4 Prozent der Kinder an der Schule sind „ndH“ (nichtdeutscher Herkunftssprache). Die wenigen türkischen Kinder „kommen aus Stuttgart, Mama. Das hört man doch schon, wenn die sprechen.“ Sagt das Kind, mit dem ich die Listen Korrektur lese.
Wir reden über Vornamen. „Frau Schmidt sagt, wir hätten alle so Namen, die in ihrer Kindheit nur Omas und Opas hatten.“ – „Stimmt“, bestätige ich. Die heißen wie die Nachbarn von meiner Oma (meine Oma, Jahrgang 1909, hieß Anita, das zählt nicht). „Wie hießen die denn alle?“, erkundigt sich das Kind neugierig. Ich erinnere mich zurück: „Paul und Marie, Max, Willi, Martha und Heinrich, Anna und Adolf.“
„Adolf??? War der Nazi?“ – „Nee“, sag ich, so hieß der schon vor Hitler. Das war ein ganz normaler Name früher. „Aber heute ist der doch verboten, oder?“ Etwas erstaunt erkläre ich dem Kind, dass es solch ein Verbot nicht gibt, aber dass man sich als Eltern natürlich schon bei der Namenswahl überlegen sollte, wie es Kindern später mit solchen Namen geht.
Kurze Stille. Dann: „Weißt du, Mama, so wie die Kinder jetzt wieder Heinrich und Martha heißen, gibt es bestimmt bald auch wieder Adolfs. Wär doch ein guter Name für AfD-Wähler.“
Abends im Bett denke ich darüber nach, wohin wir eigentlich auswandern, wenn ich das erste Mal eine Mutter oder einen Vater auf dem Spielplatz rufen höre, „Adolf, hör jetzt endlich auf zu quengeln, sonst hast du eine Woche Tablet-Verbot!“
Gaby Coldewey
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