: Berlin auf LSD
Seit kurzem leuchten einige Wahrzeichen Berlins nachts in bunten Farben. Das „Festival of Lights“ soll Werbung für die Stadt sein – und für einige Firmen. Die Kosten der Beleuchtung bleiben im Dunkeln
VON FRIEDERIKE MEYER
Wer dieser Tage – oder besser Nächte – durch die Stadt flaniert, mag sich fragen, ob ihm nicht jemand Drogen in den letzten Drink gemischt hat: Allzu bunt kommen einem die Fassaden und Wahrzeichen vor. Die Bäume am Ku’damm leuchten in Blau, das Rote Rathaus strahlt rubinrot, die Siegessäule goldgelb. Über 40 Gebäude werden noch bis Mittwoch angestrahlt. Festival of Lights nennt sich die Erleuchtung.
Das Festival ist eine Erfindung der City Stiftung Berlin, in der sich vor allem Geschäftsleute zusammengeschlossen haben mit dem Ziel, die „Innenstadt zu verschönern“. Im Vordergrund steht das Stadtmarketing. Das Lichtkonzept stammt von Andreas Boehlke, dem Schatzmeister der Stiftung und Inhaber einer Firma für Beleuchtungstechnik. Im Rahmen des Festivals tritt er als selbst ernannter „Lichtdesigner“ auf. 500 blaue Leuchtstoffröhren hat Boehlke zum Beispiel Unter den Linden in die Bäume gehängt. Die Verkabelung will er dann gleich für die Weihnachtsbeleuchtung nutzen. Für die ist er seit 2002 sowieso berlinweit zuständig.
Das Brandenburger Tor lässt er in Blau und Rot erstrahlen, das Neue Kranzler-Eck in der City-West erhellt er mit 1.000 Stroboskop-Blitzern, für den Berliner Dom hat er eine Violett-grün-Variante ersonnen. Dessen Kuratorin und Stiftungsmitglied Margrit Hilmer glaubt zwar nicht, dass dadurch mehr Besucher kommen. „Es geht darum, generell auf die Stadt aufmerksam zu machen“, sagt sie.
Allerdings zahlt die Stiftung nicht für die Beleuchtung aller Gebäude. Das Berliner Congress Centers (bcc) am Alexanderplatz kommt selbst für die Kosten auf. Für Geschäftsführer Thomas Köhler ist das Festival Marketing. Deswegen hat er gern mitgemacht: „Man kann Zeitungsanzeigen schalten – oder man kann sein Gebäude beleuchten.“
Mitbeteiligt an der Werbeaktion ist auch die Deutsche Immobilien Fonds AG (Difa). „Wir wollen unsere Gebäude einfach mal in einem anderen Licht erscheinen zu lassen“, sagte Bernd Andrich, der bei der Difa für die Vermarktung von Kranzler-Eck und Domaquaree zuständig ist – außerdem sitzt er ebenfalls im Stiftungsrat.
Wie viel das Festival die Stiftung kostet, bleibt unklar: „Finanziell abgesichert“ sei die Veranstaltung, sagt der Stiftungsvorsitzende Siegfried Helias nebulös. Und fügt hinzu: „Die Zeit und Energie, die alle Beteiligten in die Vorbereitung gesteckt haben, ist in Zahlen nicht messbar.“ Als feste Größe im Berliner Veranstaltungskalender will man das Festival of Lights etablieren. Um das zu sichern, haben die Organisatoren mehrere Aktionen integriert: Unter dem Begriff „Lange Nacht der Sinne“ machen Gastronomen am Gendarmenmarkt Programm. So veranstalten zwei Standesämter im Europa Center und im Hotel Park Inn am Alexanderplatz Mitternachtshochzeiten.
Die Veranstalter betonen, dass das Festival für Berlin neu sei. So ganz stimmt das nicht: Bereits vor 77 Jahren feierte man in der Stadt eine „Lichtwoche“ – und zwar vom 13. bis 18. Oktober 1928. „Berlin im Licht“ hieß die damals von Handel, Industrie und Fremdenverkehr organisierte Inszenierung. Die Nationalgalerie, der Gendarmenmarkt, das Rathaus waren beleuchtet. Damals wie heute ging es um die Darstellung der Architektur in einem anderen Licht und um Werbung um Touristen. Damals schrieb eine Zeitung: „Man fragte sich, ob die vielen Menschen über dem Schauen nicht das Kaufen vergessen würden.“