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Archiv-Artikel

Staat mit niedrigen Steuern

Deutschland ist trotz aller Klagen kein Hochsteuerland. Eine aktuelle OECD-Statistik belegt, dass die Bundesrepublik bei den Steuer- und Abgabenlasten unter dem Durchschnitt der Industrieländer liegt

VON NICOLA LIEBERT

Das Jammern über zu hohe Steuern gehört hierzulande zum guten Ton. „Deutschland ist nach wie vor ein Hochsteuerland“, mahnten vor einem halben Jahr acht Wirtschaftsverbände. In einem gemeinsamen Papier forderten sie die Steuern zu senken. Dabei sieht die Wirklichkeit anders aus. Die Belastung durch Steuern und Abgaben ist im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich. Das zeigt die neueste Steuerstatistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Und: Sie sinkt weiter.

Der Club der Industrieländer OECD setzt die geleisteten Steuern und Sozialversicherungsabgaben ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung eines Landes. In Deutschland machten die Steuern und Abgaben demnach im vergangenen Jahr 34,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. 2003, dem letzten Jahr, für das international vollständige Daten vorliegen, waren es noch 35,5 Prozent. Der OECD-weite Durchschnitt lag dagegen bei 36,3 Prozent und der Schnitt der 15 alten EU-Staaten sogar deutlich höher bei 40,5 Prozent. In den vergangenen zehn Jahren ist die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland dabei um 2,6 Prozentpunkte gefallen. Nur die Reformmusterländer Ungarn und Slowakei trieben diesen Trend noch weiter.

Der deutsche Staat zieht sich immer stärker aus der Wirtschaft heraus. Die Staatsquote, also der Anteil der Ausgaben der öffentlichen Hand inklusive Sozialversicherung am BIP, sank von fast 50 Prozent Ende der Neunzigerjahre auf 47,6 Prozent im vergangenen Jahr.

Die Staaten verzichten nicht unbedingt freiwillig auf ihre Einnahmen. In einer globalisierten Wirtschaft stehen sie im Wettbewerb, Investoren die besten – und das heißt zumeist die kostengünstigsten – Standortbedingungen zu bieten. Deutschland ist hierbei besonders ehrgeizig. Die Steuern auf Einkommen und Gewinne sind hier seit 1975 von 12,1 Prozent des BIP auf 9,5 Prozent gesunken. Selbst im angeblichen Niedrigsteuerland USA ging die Steuerquote in derselben Zeit nur von 11,8 auf 11,0 Prozent zurück. Andere Länder wie Spanien oder Dänemark verzeichneten derweil einen kräftigen Anstieg der Besteuerung.

In Deutschland sollen die Steuern jedoch weiter sinken – jedenfalls für Unternehmen. Sowohl SPD als auch CDU haben eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes von derzeit 25 Prozent in Aussicht gestellt: die SPD auf 19 Prozent, die CDU etwas moderater auf 22 Prozent.

Nicht alle profitieren von den Steuersenkungen. Den normalen Verbrauchern wird das Geld oft gleich wieder aus der Tasche gezogen durch höhere Verbrauchsteuern und Sozialabgaben. Der abnehmende Anteil von Einkommensteuern in den OECD-Ländern ging einher mit einem wachsenden Anteil von Sozialversicherungsbeiträgen, stellt die Organisation in ihrem Bericht fest.

Die Slowakei besteuert zum Beispiel alle Einkünfte und Unternehmensgewinne mit einer Flatrate von 19 Prozent. Die staatlichen Einnahmeausfälle macht sie wett durch eine 19-prozentige Mehrwertsteuer – ohne Ausnahmen etwa für Lebensmittel. Zudem hat sie vergleichsweise hohe Sozialversicherungsabgaben, die allein 40 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen. Die Gesamtbelastung ist in der Slowakei mit 31 Prozent des BIP nur geringfügig niedriger als im „Hochsteuerland Deutschland“.

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