Alter Kram: Im Großen stimmt’s
Hamburger Soundtrack
von Nils Schuhmacher
Wie das war mit Grunge, damals, in den ausgehenden 1980ern, darüber klärt in der dem legendären US-amerikanischen Label Amphetamine Reptile gewidmeten Doku „Color of Noise“ in knapper Form ein freundlicher älterer Herr auf. Allen möge bei diesem Stichwort Nirvana und Pearl Jam in den Kopf kommen. Er und ein paar andere haben aber lieber zuerst an Mudhoney (25. 7., Logo) gedacht. Die veröffentlichten auf dem besagten Label ihre ersten Aufnahmen, bevor sie zum „hot trendy next big thing“ erklärt wurden.
Der ältere freundliche Herr namens Jello Biafra mag ihnen das nicht vorwerfen. Sie sind ja genau das nie geworden, nicht zuletzt wegen dieses schmutzigen Sounds, der die Essenz von Grunge im Gewand der 1970er-Jahre verteidigte und sich so jeder Domestizierung entzog.
Und ein kleines Lob aus dem Mund von Biafra spricht ja auch für sich. Schließlich handelt es sich um den ehemaligen Sänger der Dead Kennedys: das Aushängeschild einer über politische Plattitüden und Lifestyle-Entwürfe hinausweisenden Idee von Hardcorepunk in den 1980er-Jahren. Biafra, eine mit Sarkasmen reich geschmückte Figur, hat nach dem Ableben der Band als politischer Aktivist, als Spoken Word-Künstler und als Musiker (2. 8., Knust) weitergemacht.
Von ihm wird kolportiert, dass er auf Tour jede selbst gebrannte CD nicht nur annimmt, sondern auch anhört. Wer da den Überblick behält und den Glauben an die Menschheit nicht verliert, dem darf wohl ein gewisses Gespür und Urteilsvermögen zugesprochen werden.
Und davon kann es in den heutigen Zeiten wohl nicht genug geben. Wer also feststellt: Es wird von diesen Herrschaften immer wieder der alte Kram aufgetischt, nur mit mehr Falten und kürzeren Haaren (wenn überhaupt), der hat einerseits die Wahrheit gesagt, andererseits übersehen, dass dieser alte Kram wenigstens einer inhaltlichen Linie folgt. Die im großen Ganzen auch stimmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen