: „Kein Fass ohne Boden“
Bedrohliche Szenarien: Geht nach dem Waldau auch das Goetheplatz-Theater in die Insolvenz? Der empörte Intendant stellt klar: „Wir wollen kein Extra-Geld.“
Bremen taz ■ Wie die Oktobergehälter der Mitarbeiter des Bremer Theaters ausgezahlt werden können, ist derzeit unklar. Hintergrund ist eine Fehlprognose des vor Kurzem geschassten kaufmännischen Direktors – der hatte die chronisch knappe Liquiditätslage des Hauses offenbar falsch eingeschätzt. Ab November hingegen ist ein haushälterischer Vorgriff auf die für 2006 bewilligten Mittel möglich.
Der „Weser-Kurier“ nahm das Problem zum Anlass, sämtliche finanzielle Altlasten des Hauses auf vier Millionen Euro hochzurechnen – und parallel von überbesetzten Werkstätten und „immer kurzatmiger“ kommenden Forderungen nach Finanzspritzen zu schreiben. Auch Kultursenator Jörg Kastendiek (CDU) monierte gestern, die vom Theater mitgeteilten Bedarfe entsprächen „nicht annähernd der realen Situation“.
Dem stellt Intendant Klaus Pierwoß eine detaillierte Auflistung entgegen: Bei den vor vier Wochen nach bewilligten 630.000 Euro handele es sich schlicht um das Weihnachts- und Urlaubsgeld der 440 Mitarbeitern, die das Land durch den fehlgeschlagenen „Solidarpakt“ mit den Gewerkschaften einzusparen hoffte – und entsprechend zurück gehalten hatte. Weiter: Mit ausdrücklicher Billigung des Aufsichtsrats – dem der Kultursenator vorsitzt – schiebe das Theater seit Jahren eine Schuldenwelle von 1,65 Millionen Euro vor sich her. 700.000 Euro davon seien „nicht kassenwirksame Beiträge“ aus den Jahren 1994 bis 1997 – gemeint sind bewilligte, jedoch nicht ausgezahlte Zuschüsse des Ressorts.
Weitere 820.000 Euro resultieren laut Pierwoß aus einem „Liquiditätsverlust“, der durch Verschieben von Finanzmitteln zwischen Theater AG und der Grundstücks KG als Renovierungs-Bauträgerin entstanden sei. Dünnwald habe das „auf nicht ganz koschere Art“ bewerkstelligt, sagt Pierwoß. Überhaupt sei der entlassene Ko-Direktor „derart illoyal“ gewesen, wie er das „noch nie erlebt“ habe.
Dünnwald selbst sieht das bekanntlich anders (siehe taz vom 30.9.), scheint aber in der Tat Rechenfehler zu verantworten zu haben. Vor allem den, dass die während der Ausweich-Spielzeit am Richtweg reduzierte Zahl von Musiktheater-Aufführungen einfach fortgeschrieben wurde. Da am Goetheplatz aber ein Drittel mehr Aufführungen stattfinden, multiplizierten sich die Honorare auf Mehrausgaben von 580.000 Euro. Pierwoß betont jedoch: „Das gleichen wir aus unserem eigenen Etat aus.“
Dies gelte auch für Mindereinnahmen von 180.000 Euro, die durch die 15-prozentige Abweichung von der Zuschauer-Zuwachsprognose 04/05 entstanden. Weitere belastende Faktoren: Seit der einprozentigen Etatkürzung vor zwei Jahren fehlen 213.000 Euro pro Spielzeit.
Kastendiek spricht jetzt von „noch nicht absehbaren Konsequenzen“, während Pierwoß betont: „Wir kriegen keinen Euro mehr, als uns vom Etat her zusteht.“ Der beträgt 24,4 Millionen Euro. Es sei ungeheuer empörend, dass jetzt „der Eindruck erweckt wird, das Theater sei ein durch Misswirtschaft geöffnetes Fass ohne Boden.“ Henning Bleyl