Der Dreck unter den Fingernägeln

Rock ‘n‘ Roll Den Sozialabbau hittauglich besingen, das ist schon mal eine Leistung. Black Heino kann es und stellt heute sein Debütalbum vor

„Heldentum und Idiotie“ dürfte zu den besten Berliner ­Debüts 2016 zählen

Eigentlich ist es ziemlich öde, einen Text mit Bandnamen oder Songtiteln zu beginnen – in diesem Fall aber muss es sein. Denn erstens ist Black Heino ein formidabler Name für eine Rock-’n’-Roll-Combo. Und zweitens ahnt man schon, dass ihr Album klasse sein könnte, wenn die Songs „Guido Knopp“, „Die Rache von Jürgen Ponto“ und „Eigenheim“ heißen. Amüsant bis vielsagend ist zudem die Tatsache, dass der Gruppe aufgrund ihres Bandnamens und des Covers ihrer Debüt-EP ernsthaft Rassismusvorwürfe gemacht wurden. Dazu reichte es aus, den real existierenden Heino schwarz zu bekritzeln.

Was er diesen Kritikern trefflich entgegnet habe, sagte Sänger und Gitarrist Diego Castro jüngst in einem Radiointerview: „Ihr seid ja bekloppt.“ Der Name stehe einfach für ein Spiel mit vielen Klischees. Das wäre somit geklärt, und nun können wir uns darauf konzentrieren, wer und was sich eigentlich hinter Black Heino verbirgt. Black Heino sind drei – wie sagt man so schön euphemistisch – „Männer im mittleren Alter“, die eigentlich aus Hamburg stammen, aber schon seit vielen Jahren in Berlin, genauer: Kreuzberg, zu Hause sind. Neben Die­go Castro sind dies Timm Beier am Bass und Max Power am Schlagzeug.

Nun erscheint das erste volle Album „Heldentum und Idiotie“, das zu den besten Berliner Debüts dieses Jahres zählen dürfte. Im Schöneberger Plattenladen Dodo Beach wird das Release heute gefeiert und begossen, natürlich mit einem Live-Auftritt.

Es gibt ein paar Koordinaten, anhand deren man Black Heino gut einordnen kann. Da sind zum einen große Portionen Garage und Psychedelic Rock, aus denen die Musik Black Heinos besteht. Dazu kommt eine gewisse Fehlfarben-Einfärbung, die sich etwa im Gesangsduktus ausmachen lässt. Derweil zieht sich ein gesundes Maß an angepisster Grundhaltung durch die zehn Stücke, bei denen einem etwa The 13th Floor Elevators, MC5 und The Kinks in den Sinn kommen mögen. Produziert hat das Album der allseits gefragte Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic etc.). Zum Glück hat er das Garagige im Sound beibehalten, es bei dem Dreck unter den Fingernägeln belassen.In den deutschen Texten Black Heinos ist das Unbehagen in der aktuellen gesellschaftspolitischen Gemengelage spürbar. Am deutlichsten wird das im Stück „Europa: Zwei Frauen“, das auf die desolate EU-Flüchtlingspolitik abzielt („Aufs Mittelmeer, aufs Mittelmeer/ziel ich mit dem Schießgewehr“) und generell wie ein Abgesang auf das gegenwärtige Europa klingt. Als Antwort auf das Versagen der Zivilgesellschaft in so manchem ostdeutschen Landstrich kann man das Eröffnungsstück „Der Osten“ verstehen: „Einverstanden mit Ruinen/ und dem Wachstum abgewandt/ Einverstanden mit Ruinen/ die Zukunft, die bleibt unbekannt/ Macht, was ihr wollt mit diesem Land“, heißt es da. Im so klugen wie hittauglichen Song „Weniger Staat“ geht es dagegen um Sozialabbau: „Weniger Staat hab ich mir anders vorgestellt“.

Wobei die Stärke vieler Lieder eben auch aus dem bereits erwähnten Spiel mit Klischees besteht – man kann sich bei den meisten Stücken nie ganz sicher sein, was das Gesagte und was das Gemeinte ist. Obwohl die Musik von Black Heino also eher der alten Rocktradition frönt, sind sie auch dank solcher Lyrics zeitgemäß und regen zur Auseinandersetzung an.

Da man sich in Deutschland mit gutem Rock ’n’ Roll von jeher schwer getan hat, hebt man sich musikalisch vom hiesigen Einerlei spielend leicht ab. Laut Band-Info geht es dem Trio auch darum, den hiesigen „Rockproduktionen, die das Land mit unerträglicher Authentizität, Intimitätsterror und Gefühlsgrütze eingedickt haben“, etwas entgegenzusetzen. Und, mal ehrlich, wer könnte das besser als Musiker, die sich Black Heino nennen. Jens Uthoff

Black Heino: „Heldentum und Idiotie“ (Tapete Records/Indigo)

Release-Konzert: 8. 7., 18 Uhr, Dodo Beach, Vorbergstraße 8, Schöneberg