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Die Geschichte von Vivis Earlylife-Crisis

Kino Bernadette Knoller gewinnt in ihrem Debütfilm „Ferien“ mit beiläufigen Gags, deren Timing bis auf die Sekunde stimmt

Nicht wortreich erzählen Knoller und ihre Koautorin Paula Cvjetkovic, sondern bildstark

„Immer wenn man dich anschaut, sieht man das Ding. Aber man will dir ja auch mal in die Augen gucken, nicht immer nur in die Warze!“ Eltern können so dämlich sein. Vivis Vater (Detlef Buck), der seiner Tochter diesen taktlosen Spruch reindrückt, ist zusätzlich noch enorm hilflos. Denn Vivi (Britta Hammelstein), bei deren „Warze“ es sich in Wahrheit um ein klitzekleines Muttermal auf dem Nasenrücken handelt, hatte einen spektakulären Live-Nervenzusammenbruch, der vom Gerichtssaal, wo die junge Juristin soeben ihr Staatsexamen ablegen wollte, über eine Fußgängerzone, wo Vivi angesichts eines allzu agitierenden Straßenhändlers in Tränen ausbricht, bis auf die Insel anhält, auf die Papa sie zwecks Erholung verladen hat. Jene „Nordseeinsel mit Südseefeeling“, die vor allem von StützstrumpfgreisInnen besucht wird, soll Vivi neu orientieren und entspannen – vom Leben, der gefühlten Ausweglosigkeit, dem „Ich kann mich nicht entscheiden“.

Und so taumelt Vivi über Strand- und Deichwege und versinkt tiefer und tiefer in den lokalen (und sozialen) Dünen: Sie schließt Freundschaft mit der Außenseiterin Bine (Inga Busch), deren Hutzelmännchen-Bastelgruppe den Aufstand probt, mit Bines 13-jährigem Sohn Erik, der bis Oberkante Unterlippe in der Pubertät steckt, und mit dem eigenbrötlerischen Krämerladenbesitzer Otto (Ferdinand von Schirach), der ihr Bücher „mit Aalen drin“ schenkt, in denen dann doch nur Kängurus abgebildet sind.

Aus der Geschichte hätte ein lahmes „Generation Y“-Drama über Selbstfindung werden können oder eine wackelig getimte Komödie mit Gag an Gag oder eine „Traumschiff“-Liebesgeschichte. Nichts da: Debütregisseurin Bernadette Knoller ist auf die Sekunde timingfest, weiß, dass beiläufige Gags die besten sind, braucht keine ausgelutschten Lovestorys und hat mit der unprätentiösen, immer ein wenig verheult-verbeult aussehenden Hammelstein ihre perfekte Hauptdarstellerin gefunden. Und Vivis Earlylife-Crisis entwickelt sich: zwischen den Versuchen des Vaters, seiner Tochter mit schlecht abgeguckten Managermethoden und dem Vorschlag zum „Ackwa­training“ in den Hintern zu treten, und der von Jérôme Hirthammer als Erik herausragend interpretierten Coming-of-Age-Geschichte erwacht in Vivi zaghaft ein Gefühl, eine Sicherheit – für die Umgebung, für die Bedeutung von Freundschaft, für sich selbst. Nicht wortreich erzählen Knoller und ihre Koautorin Paula Cvjetkovic, sondern bildstark – der Hautarzt, der Vivis „Warze“ weglasert und danach triumphierend seinen Unterarm hebt, auf dem das Wort „Done!“ eintätowiert ist; die tote Taube, die Vivis Exfreund buchstäblich aus heiterem Himmel auf den Waffelteller stürzt, sogar die zuweilen etwas bemühte „Alternative Folkmusik“ der gleichsam kommentierenden Musiker ergeben zusammen einen runden und bezaubernden Inselreigen, dessen Drehbuch beim diesjährigen Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet wurde.

Liebevoll porträtiert Knoller nebenbei norddeutsche Tüddeligkeiten und lässt ihre Witze an- und abrollen wie Ebbe und Flut. Vielleicht ist Humor vererbbar, und Detlev Buck, der im echten Leben Knollers Vater ist, konnte seine guten Gag-Gene weitergeben.

Sogar dass „Ferien“ seinen Fokus am Ende doch ein bisschen zu stark auf die innere Entwicklung seiner Heldin anstatt auf die Handlung legt und demzufolge in manchen Situationen einfach zu lange ausharrt, passt zum Thema: Ist es nicht typisch Ferien, einfach mal eine Weile lang nichts zu tun? Zeit zu verplempern? Oder einen gestrandeten Wal anzuglotzen? Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall, heißt es da oben im Norden. Oder, wie es einst ein humorbegabter Berliner neu interpretierte: Wat den eenen sin Buddah, is den annern sin Kutter. Jenni Zylka

„Ferien“. Regie: Bernadette Knoller. Mit Britta Hammelstein, Detlef Buck, Jérôme Hirthammer u. v. a. D 2016, 88 Min.

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