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Archiv-Artikel

Jedes Huhn ist verkauft

Vor der Hungersnot: Malawi und Simbabwe – Millionen ohne Hilfe

JOHANNESBURG taz ■ Millionen von Menschen im südlichen Afrika haben zu wenig zu essen, und in den nächsten Wochen könnte sich die Krise zur Hungersnot ausweiten. Internationale Hilfswerke rufen jetzt zu Spenden in Höhe von 185 Millionen US-Dollar auf, damit Nahrungsmittel an die Ärmsten verteilt werden können – etwa 9.2 Millionen Menschen. Ausbleibender Regen und Dürren haben in Lesotho, Swasiland, Malawi, Mosambik, Sambia und Simbabwe die Ernten schlechter als üblich ausfallen lassen; die „magere Saison“ vor der Aprilernte, die normalerweise im Dezember beginnt, hat viel früher eingesetzt. Die Preise für das Grundnahrungsmittel Mais schnellen bereits in die Höhe.

„Erst wenn sterbende Kinder auf den TV-Bildschirmen erscheinen, fließt Geld“, ärgert sich Peter Smerdon, Sprecher des UN-Welternährungsprogramms (WFP) in Malawi. „Doch dann ist es zu spät. Dann haben die Menschen ihr letztes Hab und Gut verkauft, und Sterbende am Leben zu halten ist teuer.“

Am schwersten betroffen ist Malawi. Die Zahl der unterernährten Kinder ist nach einer Studie des Gesundheitsministeriums allein im August um 29 Prozent gestiegen. 5 der 12 Millionen Einwohner brauchen dringend Hilfe, sagt die UNO. Das WFP hilft derzeit 1,2 Millionen Menschen und will Nahrungsmittel an 2,9 Millionen Menschen im am stärksten betroffenen Süden des Landes verteilen – am besten vor Beginn der Regenzeit im November. Danach sind Straßen oft nicht befahrbar.

Die beste Hilfe: Bargeld. Damit kann Mais im Land und in der Region gekauft werden. Dafür fehlen dem WFP 76 Millionen US-Dollar. Malawis Regierung ist laut WFP bisher der einzige Spender. „Sie hat die Lage erkannt und arbeitet mit uns zusammen“, sagt Smerdon.

In Malawi selbst ist die Regierung in der Kritik. Diese Woche forderte die Opposition die Ausrufung des Notstands und wollte wissen, was die Regierung mit 42 Millionen US-Dollar gemacht hat, mit denen sie vor drei Monaten Mais kaufen sollte. Die Regierung erklärte, sie habe 22.000 Tonnen Mais zum Verkauf erworben und weitere 20.000 Tonnen zur Verteilung bereitgestellt.

Nahrungsmittelknappheit im südlichen Afrika hat mehrere Ursachen. Unberechenbares Wetter macht die Abhängigkeit von Mais, einer empfindlichen Pflanze, problematisch. Nur zwei Prozent des nutzbaren Bodens in Malawi ist bewässert und wird kommerziell bewirtschaftet. 14,4 Prozent der Erwachsenen des Landes sind HIV-positiv. Meistens leben die Kleinbauern sowieso am Rande des Existenzminimums – wenn jemand krank und schwach wird, als Arbeitskraft ausfällt und stattdessen Medizin und Pflege braucht, belastet es den Haushalt enorm.

In Simbabwe spitzt sich die Lage ähnlich zu. Der Maispreis dort hat sich zwischen September und Oktober verdoppelt, sagt Michael Huggins, WFP-Sprecher in Johannesburg, der gerade Simbabwe bereist. Um Saatgut oder auch Nahrung in die Notregionen zu bringen, fehlt den bankrotten Behörden das Benzin. „Die Überlebensstrategien vieler Dorfbewohner reichen nicht mehr aus“, berichtet Huggins aus Simbabwe. „Sie haben oft schon jedes Huhn und jede Ziege verkauft. Viele essen Blätter und werden davon krank.“ Die Kinder gehen nicht mehr zur Schule, weil sie keine Energie haben oder Kranke pflegen. Damit verpassen sie die Schulspeisung, oft die einzige Mahlzeit. Ein Teufelskreis.MARTINA SCHWIKOWSKI