: Der Stimmungsverstärker
Aussenwohnzimmer Auf dem Balkon ist am lauen Samstagabend nach der zweiten Margarita alles möglich
Im Grunde sage ich es jedem, den ich das erste Mal durch meine Vierer-WG führe: Ich hätte echt nicht gedacht, dass ich unseren Balkon überhaupt nutzen würde. Heute weiß ich, wie falsch ich lag.
Drei mal drei Meter groß ist er, komplett überdacht, windgeschützt, nach hinten raus. Das fast gemütlichste Sofa der Welt fand dort seine letzte Ruhestätte, es lässt sich zur Übernachtung im Mondschein ausziehen und die Spatzen pfeifen: Das wurde es auch schon.
Der rotlackierte Holztisch, die Öllampe, Kerzen, Blumen, Restgetränke, Grill, Aschenbecher und Dartscheibe – unser Balkon ist nicht nur im Sommer der Platz, wo wir WG-BewohnerInnen uns treffen. Er ist unsere Snooze-Ecke, Frisch-Luft-Oase, Freiluft-Disko und bester Grund für einen Spaziergang im Sitzen. Und: Der Balkon degradiert unser Innen-Wohnzimmer zu einem Wäsche-Lager-Duchgangsraum und gewinnt um Längen – vor allem: an Wochenenden.
Und weil meine MitbewohnerInnen und ich unter der Woche viel beschäftigt sind, ist es mit uns auf dem Balkon dann immer ein bisschen so wie mit einem Luftballon in der Badewanne: Je tiefer man den nach unten drückt, desto mehr drängt er nach oben. Work hard, play hard: Hallo Nachbarn!
Unser luftiges Wohnzimmer betreten wir oft erst, nachdem wir von einer Party oder aus der Kneipe geworfen wurden. Die After-Show zwischen den Geranien beginnt, wenn die WerftarbeiterInnen in der Nachbarschaft normalerweise aufstünden – wären sie WerftarbeiterInnen und gäbe es überhaupt noch Werften. Meist sind es Familien und LehrerInnen und soweit wir informiert sind, stehen die ohnehin jeden Tag in der Woche gegen fünf Uhr something auf. Kein Grund für Streit also.
Dennoch kamen die Briefe. Mit Anwälten wurde gedroht und gebeten, dass wir – „die Erasmus-Studenten“ – auf dem Balkon doch bitte leiser feiern sollen. Nur ist bei uns niemand Austauschstudent und einen Anwalt haben wir auch: direkt in der WG, ätschi-bätsch.
Wie feiern weiter. Letztens haben meine MitbewohnerInnen für gefühlte 25.000 Euro neue Pflanzen gekauft. Sehr schön ist das – und noch gemütlicher. Bald klettert die Klimatis. Im Baumarkt fiel uns vor ein paar Tagen zudem dieser „Whirlpool für Draußen“ auf. Drei Liegeplätze, 30 Hydrojets aber auch 3.500 Euro. Vom Platz her würde es passen, aber der Preis ist hart. Doch abwarten: Nach der zweiten Margarita ist an einem lauen Samstagabend auf unserem Balkon alles möglich.
jean-Philipp Baeck, 33, geht gern im Sitzen spazieren und mag Whirlpools für draußen.
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