Glaube an die Steuerreform

Die Teilnehmer des Alternativen Kirchengipfels in Gelsenkirchen diskutierten am Samstag über neue Kirchensteuer-Modelle. Schuld an der Krise sei die neoliberale Politik, so Sozialpfarrer Jürgen Klute

AUS GELSENKIRCHENNATALIE WIESMANN

Kindergärten schließen, Kirchen werden verkauft, Mitarbeiter entlassen – die Kirche steckt seit einigen Jahren tief in der Krise. Wie sie bei weiter sinkenden Einnahmen ihre gesellschaftlichen Aufgaben aufrechterhalten kann, diskutierten am Samstag in Gelsenkirchen 200 Protestanten auf dem Alternativen Kirchengipfel „Spart sich die Kirche kaputt?“, initiiert von der Evangelischen Kirche in Westfalen.

Um die finanzielle Lage der Kirche zu erfassen, müsse sie für alle Mitglieder transparent gemacht werden, forderten viele. „Das Kirchenvermögen muss offen gelegt werden“, sagt Peter Smock, Sozialarbeiter bei der Diakonie in Gelsenkirchen. Es müsse außerdem auch für die unteren Ebenen möglich sein, bei den Ausgaben der Landeskirche mitzureden. „Wenn es nach mir ginge, müsste sie keine teure Unternehmensberatung engagieren.“ Dass die Gelder von oben nach unten verteilt würden, bemängelt Axel Lippek, der in der Erwachsenenbildung in Gladbeck tätig ist. „Die Verwaltung sorgt erst einmal für sich selbst.“

Bevor die Kirche Leute entlasse, sollte das Vermögen der Kirche für den Erhalt der Arbeitsplätze eingesetzt werden, war eine weitere Forderung auf dem Treffen. „Der Besitz der Kirche rekrutiert sich schließlich auch aus Steuermitteln“, so Uli Kaminski, Organisator der Veranstaltung. Der Verkauf von Immobilien scheint aber gerade im Ruhrgebiet ein schwieriges Unterfangen: Gerade in den ärmeren Stadtteilen, wo viele Gebäude leer stehen, könne die Kirche mit ihren Immobilien keine lukrativen Geschäfte machen.

Kritik äußerten viele TeilnehmerInnen an der Personalpolitik der Kirche: Sie plädierten unter anderem für ein einheitliches Dienstrecht für Angestellte und Beamte sowie für die Übernahme gewerkschaftlicher Tarifverträge. „Wegen der privatwirtschaftlichen Konkurrenz behält sich die Kirche vor, ihre Arbeitsverträge flexibel zu gestalten“, kritisiert Kaminski.

Es wurden auf der Veranstaltung aber durchaus auch Stimmen laut, die sich für eine Reduzierung der kirchlichen Aufgaben auf das Kerngeschäft aussprachen – auf den Gottesdienst und die Seelsorge. In einer der Diskussionsrunden schlug ein Teilnehmer vor, hauptamtlichen Tätigkeiten wieder ins Ehrenamt zurückzuführen, „In der Nachkriegszeit wurden Küster und Organisten auch nicht bezahlt.“ Heftigen Widerspruch erhielt er dafür von Jürgen Klute, Sozialpfarrer des Kirchenkreises Herne und Spitzenkandidat der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) bei der Landtagswahl in NRW. „Das ist bedeutet eine Missachtung von Erwerbstätigkeit. Die Leute, von denen Sie reden, leben von diesem Geld.“

Klute hatte zuvor in seiner Eröffnungsrede die neoliberale Politik in Deutschland für die Krise der Kirchen verantwortlich gemacht. „Die Senkung der Einkommenssteuer hat eine Senkung der Kirchensteuer mit sich gezogen.“ Gleichzeitig habe der Staat durch weniger Einnahmen die eigene Investition in den Sozialbereich zurückgeschraubt. Auch die Arbeitsmarktpolitik unter Rot-Grün sei mitverantwortlich an der Krise: „Der Verlust von Arbeitsplätzen und die Ausweitung des Niedriglohnsektors hat zu Einbußen bei der Kirchensteuer geführt.“ Die Kirchenaustritte dagegen machten nur einen sehr kleinen Teil der Verluste aus. Die Kirche müsse als Vertreter der Benachteiligten den Neoliberalisten entgegentreten. „Wenn wir Personallabbau nicht verhindern können, müssen wir der Gesellschaft sagen, warum das so ist.“

Viele der TeilnehmerInnen sehen die Rettung der Kirchensteuer in ihrer Koppelung an den Bruttolohn – statt wie bisher an das Nettoeinkommen. So wären die Einnahmen nicht mehr abhängig von weiteren Steuersenkungen in der Politik.