: Turbines Herzstück
FUSSBALL Jennifer Zietz heißt die neue Kotrainerin des Frauen-Erstligisten aus Potsdam – die erste Frau auf diesem Posten. Ein Porträt
von Alina Schwermer
Sie führt ins Stadion Luftschiffhafen hinein wie in ihren eigenen Garten. „Wir können uns hierhin setzen oder dahin“, sagt Jennifer Zietz. Sie entscheidet sich schließlich für eine Bank in der Sonne, „ein bisschen Sonne halten wir aus, ne?“ Wie sie auf dem Trainingsgelände von Turbine Potsdam entspannt auf der Bank im Sonnenschein sitzt, vermittelt sie den Eindruck einer Person, die da ist, wo sie hingehört.
Auf dem Rasen des Stadions kicken ein paar Mädchen mit dem Ball, sonst ist es ruhig – die Szene wirkt fast provinziell. Niemand interessiert sich dafür, dass eine Champions-League-Siegerin und Europameisterin hier sitzt. Nach 17 Jahren im Verein gehört Jennifer Zietz zum Inventar.
Fragt man, warum sie nie von hier weggegangen ist, sagt Zietz, dass sie sich das irgendwann einfach nicht mehr vorstellen konnte. „Ich wusste immer, was ich hier hatte. Ich brauchte nicht mehr, um glücklich zu sein.“ Sie sagt das in dem nüchternen, unprätentiösen Tonfall, in dem sie gern erzählt; eine Art achselzuckende Bestätigung, dass die Dinge nun mal so sind, wie sie sind. Deshalb kann Jennifer Zietz Sätze sagen wie: „Für Turbine schlägt mein Herz“, im leichten Ton und ohne dass es nach Phrase klingt. Man kauft ihr das ab: Sie hängt an Turbine, ist eben so. Hier gehört sie hin.
Keine Ideologin
Rund 16 Jahre lang war sie Mittelfeldspielerin bei Turbine Potsdam, nun kehrt sie ein Jahr nach ihrem Karriereende als Kotrainerin zurück. Es ist eine Mini-Revolution: Zietz wird die erste weibliche Kotrainerin sein, die der Verein je hatte. Im Frauenfußball sind männliche Trainer keinesfalls die Ausnahme – sondern die Regel: Bei den Frauen-Bundesligisten sind aktuell alle Cheftrainer Männer.
Jennifer Zietz will das Thema aber lieber nicht ideologisch aufladen: „Manchmal ist es für Spielerinnen einfacher, mit einer Frau über Dinge zu reden, statt direkt zum Trainer zu gehen. Es ist gut, eine Frau in der Kabine zu haben, die ratend zur Seite steht.“ Sie will, ganz pragmatisch, ein Bindeglied sein zwischen dem neuen Trainer Matthias Rudolph und der Mannschaft.
Mit Rudolph ist sie befreundet, er hat sie Anfang des Jahres gefragt, ob sie sich den Job vorstellen könnte. Konnte sie.
Die Musterschülerin
Jennifer Zietz ist eine, mit der sich angenehm plaudern lässt. Sie überlegt bei Fragen nicht lange, antwortet geradeheraus und erstaunlich offen. „Ich bin, wie ich bin“, sagt Zietz, „ich hab auch mal einen lockeren Spruch drauf.“
Im Frauenfußball, wo die mediale Aufmerksamkeit gering ist, wird Offenheit selten bestraft. Manchmal grinst sie schelmisch; sie hoffe, dass ihr Engagement nicht nur Schlechtes bringe. Damit ist nicht zu rechnen.
Acht Jahre lang war sie Kapitänin, verlängerter Arm des Cheftrainers Bernd Schröder. Sie war eine von Schröders Lieblingsschülerinnen, die Malocherin mit Kämpferherz, kein Riesentalent, aber fleißig. Die DNA von Schröders Turbine hatte sie im Blut. Vielleicht ist es ihr deshalb so leicht gefallen, hier zu bleiben.
Ein Selbstläufer wird es dennoch nicht werden, Turbine nach der historisch schlechten Saison mit dem enttäuschenden siebten Platz zu altem Glanz zu führen. Dem früheren Trainer Bernd Schröder wurde häufig vorgeworfen, zu autoritär zu sein, er galt als harter Hund. Jetzt steht die erste Saison seit über vierzig Jahren ohne Schröder an, und Zietz und Rudolph wissen, dass sie ein schweres Erbe übernehmen.
Von der Härte ihres Mentors hat Zietz sich ein Stück weit distanziert. „Viele Mädels hatten bei ihm Angst, sich auszuprobieren“, sagt sie. „Seine bestimmende Art war nicht unbedingt schlecht, aber die Gesellschaft entwickelt sich weiter.“
1983 in Rostock geboren, begann ihre Karriere 1989 bei BSG Post Rostock. Zehn Jahre später wechselte die Mittelfeldspielerin zu Turbine Potsdam, wo sie ihre gesamte Profikarriere von 1999 bis 2015 verbrachte.
Zietz erzielte in 276 Spielen 90 Tore und war ab 2007 auch Kapitänin des Teams. Mit Turbine Potsdam wurde sie unter anderem sechsmal Meisterin und gewann die Champions League. Zwischen 2005 und 2010 bestritt sie außerdem 15 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft und wurde Europameisterin.
Während ihrer Karriere studierte Jennifer Zietz Sportmanagement. Seit ihrem Karriereende arbeitet sie bei der AOK Nordost. Zietz hat sich während ihrer Laufbahn auch wiederholt sozial engagiert, unter anderem gegen Rassismus. (asc)
Keine große Taktikerin
Der Mittelweg zwischen Schröders Autorität und neuer Lockerheit wird eine der größten Herausforderungen für das Trainergespann in der neuen Saison werden. Für taktische Details dürfte wohl eher Cheftrainer Matthias Rudolph zuständig sein; Jennifer Zietz ist bislang nicht als große Taktikphilosophin in Erscheinung getreten. Trotzdem will sie, so zumindest ihr Anspruch, als Kotrainerin mehr sein als nur das Kabinenmaskottchen.
Während ihrer Spielerkarriere hat sie Sportmanagement studiert – wer in ihr nur die bodenständige Jenny mit den frechen Sprüchen sieht, unterschätzt sie.„Eine Frau darf sich nicht darauf ausruhen, Europameisterin geworden zu sein“, sagt Zietz. Nach ihrer Karriere arbeitete sie bei einer Krankenkasse. Ihr habe das gut getan, über den Tellerrand zu schauen, rauszukommen aus dieser Fußballblase. „Ich war immer froh, dass ich auch geistig gefordert wurde.“
Auch deshalb hat Jennifer Zietz an einer hauptamtlichen Trainerkarriere erst einmal kein Interesse – der Input von außen sei ihr wichtig, die Welt außerhalb des Fußballs soll nicht wieder so zusammenschrumpfen wie während ihrer Zeit als Spielerin.
Und außerdem wolle sie erst mal schauen, wie es als Kotrainerin läuft. „Ich hoffe, dass ich mir selbst treu bleibe. Entweder der Job passt, oder er passt nicht. Ich werde mich nicht verbiegen für etwas, was ich nicht bin.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen