: Das Konzept der Kopfpauschale
betr.: „Tausche Geld gegen Zeit“ von Lars Riebold, taz vom 11. 10. 05
Die Behauptungen von Herrn Riebold zur „neoliberalen Kopfpauschale“ bedürfen einer Richtigstellung und Ergänzung.
Das Konzept der Kopfpauschale der Herzog-Kommission, das auf Betreiben der CSU zuletzt abgeändert worden war, sah vor, dass damit die Lohnnebenkosten um sieben Prozent gesenkt werden. Das sollte dadurch erfolgen, dass die Arbeitgeber ihren Anteil am Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von sieben Prozent an die Arbeitnehmer auszahlen. Das würde den Bruttolohn der Arbeitnehmer um sieben Prozent erhöhen. Damit sinken aber für die Arbeitgeber nicht die Arbeitskosten, denn diese bleiben gleich hoch. Der Vorteil der Arbeitgeber sollte darin liegen, dass sie für zukünftige Erhöhungen des Krankenversicherungsbeitrags keine Zahlungen mehr zu leisten haben. Die Erhöhung des Bruttolohns der Arbeitnehmer auf 107 Prozent des bisherigen Lohns hätte für die Arbeitgeber aber auch einen Nachteil. Sie müssten dann weiterhin die Hälfte von 19,5 Prozent für die Rentenversicherung und von 6,5 Prozent für die Arbeitslosenversicherung, also insgesamt 13 Prozent von nunmehr 107 Prozent eines Bruttolohns bezahlen anstelle von vorher nur auf 100 Prozent. Durch den Kumulationseffekt (wie bei Zinseszins) würden sich die Arbeitskosten im Verlaufe der Jahre deutlich verteuern.
Gegen die Kopfpauschale spricht auch der ungeheure Bürokratieaufwand, wenn an die 20 Millionen Menschen mit niedrigem Einkommen beim Finanzamt einen Zuschuss zur Kopfpauschale beantragen müssten. Problematisch wäre dabei, dass die Niedrigverdiener zunächst mindestens zwölf Monate lang die volle Kopfpauschale vorleisten müssten, um nach Stellung des Zuschussantrags aufgrund der notwendigen Bearbeitungszeit erst drei bis neun Monate später den Zuschuss zu bekommen. Ein weiteres Hindernis für die Einführung der Kopfpauschale wäre, dass die Steuereinnahmen in Höhe von 15 bis 25 Milliarden Euro für den erforderlichen Zuschussbedarf gar nicht vorhanden sind.
Die Rechnung des DIW, dass jedes Prozent geringere Lohnnebenkostensenkung um die 100.000 neue Arbeitsplätze bringen soll, ist rein modelltheoretischer Natur und nicht bewiesen. Die großen Konzerne Siemens, Opel, Infineon, Telekom (40.000 Arbeitsplätze), DaimlerChrysler, IBM, Hewlett-Packard, VW, BASF usw. bauen Arbeitsplätze ab, weil sie durch Rationalisierung gravierend Kosten sparen und den Börsenkurs sowie die Dividenden erhöhen wollen. Einige Prozentpunkte geringere Lohnnebenkosten könnten und würden diese Vernichtung von Arbeitsplätzen nicht aufhalten, weil die Arbeitsplätze nicht mehr gebraucht werden.
Ein Prozent geringere Lohnnebenkosten wirken sich im Übrigen bei 30 Prozent Personalkostenanteil (darin enthalten laut Institut der deutschen Wirtschaft für 2002: 76 Prozent Personalzusatzkosten; diese würden dann auf 75 Prozent sinken) in der Gewinn- und Verlustrechnung nur mit 0,16 Prozent Gewinnerhöhung aus. Das kann jeder nachrechnen. JÜRGEN H. LIETZ, Wertach