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Archiv-Artikel

Der eingeschränkt korrigierte Horror

Sozialsenatorin stellt nur formale Fehler ab. Geschlossenes Heim Feuerbergstraße soll auf alle Kinder eine abschreckende Wirkung haben

GAL und SPD sprachen gestern von einer peinlichen Niederlage für Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram, musste diese doch dank oppositioneller Enthüllungsarbeit mehr als ein halbes Dutzend Fehler einräumen und korrigieren. Doch tiefe Überzeugung und Einsicht stand bei der CDU-Politikerin, die angab, zuvor von ihren Mitarbeitern nicht über diese Dinge informiert worden zu sein, nicht dahinter.

Deutlich wird dies bei dem Vorwurf der „Freiheitsentziehung im Amt“. In 13 Fällen wurden bekanntlich Jungen nach den Entscheidungen der Gerichte sofort in die Feuerbergstraße eingeliefert, ohne dass die 14-tägige Widerspruchsfrist abgewartet wurde. Statt diese Frist künftig zu achten, so die Senatorin, sollen die Behördenmitarbeiter nun vor Gericht die „sofortige Vollstreckbarkeit“ erwirken.

Auch das Postgeheimnis bleibt in der Feuerbergstraße nur eingeschränkt gültig. So soll die Kontrolle der Briefe auf ein „erforderliches Maß“ begrenzt werden. Die Mitarbeiter dürfen sie weiterhin öffnen und auf unerlaubte Gegenstände „überprüfen“, aber „nicht lesen“. In der Vergangenheit hatten Mitarbeiter sogar Liebesbriefe der Jugendlichen gelesen und deren Inhalt in Protokollen zitiert. Da in der Feuerbergstraße keine „harmlosen Jugendlichen“ säßen, so die Senatorin, sei die Postöffnung bisher für die Mitarbeiter „nahe liegend“ gewesen.

Rein formal gelöst wird auch das Problem der illegalen Aidstests und Psychopharmaka-Vergabe. Seit Anfang Oktober hat die Behörde die Formulare für die Einverständniserklärungen der Eltern zu medizinischen Untersuchungen schlicht um diese beiden Aspekte erweitert. Hier bleibt abzuwarten, ob die Eltern wirklich umfassend über Nebenwirkungen und Alternativen aufgeklärt werden, was nach Forderung der GAL auch ausreichend dokumentiert werden müsse.

Der Frage nach der Vergabe von Psychopharmaka an mindestens zehn Jugendliche wich Schnieber-Jastram aus: „Die Verantwortung, welche Medikamente vergeben werden, liegt nicht bei der Politik.“ Der Oberarzt des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift habe ihr aber versichert, dass Fachleute „die Empörung nicht teilen“ würden.

Den radikalsten Strich zog Schnieber-Jastram bei der Verschickung von Jugendlichen ins Ausland. Diese soll nur noch in Ausnahmefällen möglich sein, die Jugendamtsleiter Uwe Riez persönlich genehmigen müsse. Drei umstrittene Reisen nach Namibia wurden von bezirklichen Jugendämtern genehmigt, denen dies nun per Globalrichtlinie untersagt werden soll.

Die Gunst der Springer-Zeitungen, die besonders über diesen Punkt grollten, wird Schnieber-Jastram damit nicht zurückbekommen. Ist doch die Bilanz des mit bis zu 25.000 Euro pro Monat und Platz teuren Heims insofern negativ, dass die Hälfte der Insassen nach ihrer Entlassung wieder straffällig wurde. Die Senatorin verwies deshalb auf die andere Hälfe und sprach von einer „abschreckenden Wirkung“ auf alle Jugendlichen, denn Hamburg habe die „niedrigste Jugendkriminalitätsrate seit Jahren“.

Eine zweischneidige Sache: Beklagte doch Staatsrat Meister, die Kosten seien so hoch, weil die Presseberichte Eltern davor abschreckten, ihr Kind in das Heim zu geben. Kaija Kutter