: Alle gegen David
Einmütig stellen sich Chefs und Belegschaft gegen eine Übernahme des Berliner Verlags durch den britischen Investor David Montgomery
VON STEFAN KUZMANY
Die Verhandlungen des Verkäufers Holtzbrinck sind in der heißen Phase, eine Entscheidung ist immer noch nicht getroffen, es geht drunter und drüber. Aufgebrachte Mitarbeiter schwenken Anti-Heuschrecken-Plakate. Chefredakteure formulieren Brandbriefe. Es grassiert die Angst vor Entlassungen, vor dem Zusammenschrumpfen der Redaktionen, vor dem Untergang der publizistischen Qualität. Was ist nur los beim Berliner Verlag? Mensch, die könnten doch froh sein über solch fürsorgliche und visionäre Investoren wie jene von 3i, Mecom und VSS, die sich da angekündigt haben. „Es wäre absolut unsinnig, das Unternehmen zu zerlegen oder Teile zu verkaufen“, sagte Johannes von Bismarck, einer der Investoren um den Briten David Montgomery, der FAS. Man wolle den Verlag nur einige Jahre behalten, ihn quasi aufpolieren und dann „ein Schmuckstück von einem Unternehmen dem Markt zurückgeben“. Montgomery habe keinesfalls nur „rudimentäre Kenntnisse der deutschen Zeitungslandschaft“, wie es der Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, in seinem gestern veröffentlichten Brief an die Leser schreibt – sondern reise regelmäßig in die deutsche Hauptstadt, „allein in diesem Jahr um die 30-mal“ – so sagte ein Montgomery-Sprecher der Welt.
Es besteht offenbar die größtmögliche Diskrepanz in der Selbst- und Fremdwahrnehmung des britischen Investors David Montgomery. Im Berliner Kurier, der im zu verkaufenden Berliner Verlag erscheinenden Boulevardzeitung, wird dem „geldverliebten Mann“ gar jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen: „Lügen gehen ihm anscheinend leicht über die Zunge.“ Eigentlich hasst David Montgomery Zeitungen, es ist ihm laut Kurier ein Graus, „wenn die Druckmaschinen anlaufen und statt knisternder Geldscheine nur Zeitungen herauskommen.“
Dabei ist es längst nicht so, dass die Zeitungen des Berliner Verlags unprofitabel und nur mit rigorosen Sparmaßnahmen in Cashcows zu verwandeln wären. Die Berliner Zeitung erzielt Gewinne, und der Chefredakteur des Berliner Kuriers, Hans-Peter Buschheuer, konnte gestern erfreut den „Turnaround“ bei seiner Zeitung verkünden. Erstmals seit mehreren Jahren kann das Blatt eine Auflagensteigerung melden, die Zahl der verkauften Exemplare stieg um 3,5 Prozent auf 125.551.
Egal ob nun tatsächlich Montgomery und Co. zum Zuge kommen, doch der „weiterhin sehr interessierte“ Verleger Alfred Neven DuMont oder die Essener WAZ-Gruppe – bemerkenswert ist der öffentliche Zusammenhalt von Chefredaktionen, Betriebsrat und Belegschaft des Verlags. „Die Betriebsräte aller Berliner Objekte haben großen Respekt und Unterstützung für die Erklärungen der Chefredakteure“, sagte Betriebsrätin Renate Gensch der taz.
Der Betriebsrat organisierte gestern eine Demonstration vor dem Verlagshaus am Alexanderplatz. Zwei- bis dreihundert Angestellte protestierten nach Betriebsratsangaben gegen den Verkauf an die Kapitalvermehrer und brachten damit „eindrucksvoll“ die „geschlossen ablehnende Haltung“ der Beschäftigten zum Ausdruck. Eigentlich hatte man Montgomery noch zum Gespräch einladen wollen. Jetzt schließt ein offener „Protestbrief“ an den „sehr geehrten“ Herrn mit den Worten: „Bitte nehmen Sie zur Kenntnis: Sie sind in unseren Betrieben nicht willkommen.“ Das wird den sehr geehrten Herrn Montgomery allerdings nur wenig stören.