Vier Jahre dauert die freie Ausbildung, die auf mindestens zwei landwirtschaftlichen Betrieben durchlaufen wird Foto: Patrick Pleul/dpa

Biodynamisches Lernen

ALTERNATIVE Während der vierjährigen „Freien Ausbildung“ auf Demeter-Höfen gibt’s Seminare statt Berufsschule und die aktive Mitgestaltung der Auszubildenden

von Jördis Früchtenicht

Möglichst viel Praxiserfahrung sammeln: das wünschen sich wohl viele, die einen Beruf erlernen. In der „Freien Ausbildung“, einer landwirtschaftlich oder gärtnerischen Ausbildung im biologisch-dynamischen Landbau, die es seit 1983 gibt, ist das möglich.

Die Auszubildenden leben und arbeiten auf Demeter-zertifizierten Höfen, die Ausbildung ist in Norddeutschland eingebunden in die „Bäuerliche Gesellschaft e. V.“, einem Zusammenschluss von Demeter-Betrieben.

Während der vierjährigen Ausbildung müssen die Auszubildenden mindestens einmal den Hof wechseln, sodass sie die verschiedenen Betriebe kennenlernen. „Obwohl formal nur ein Wechsel vorgesehen ist, suchen sich viele Lehrlinge jedes Jahr einen neuen, spannenden Betrieb – manche sogar im Ausland“, sagt Friedemann Wecker, Geschäftsführer der Bäuer­lichen Bildung und Kultur gGmbH sowie der Bäuerlichen Gesellschaft in Amelinghausen.

Statt zur Berufsschule zu gehen, nehmen die Auszubildenden an Seminaren teil, die auf den Höfen stattfinden – 50 Tage im Jahr sind dafür vorgesehen. Bei den Inhalten sprechen die Auszubildenden mit: „Der Begriff freie Ausbildung bezieht sich auf die aktive Mitgestaltung der Lehrinhalte durch die engagierten Auszubildenden innerhalb der vier Lehrjahre und grenzt sich deutlich ab gegen die staatliche Ausbildung, in der ökologische Aspekte immer noch zu wenig repräsentiert sind“, erklärt Wecker. „Die Vermittlung des biodynamischen Wissens in Praxis und lebendigen Seminaren mit vielfältigen Elementen selbst aus dem künstlerischen Bereich“ zeichne diese freie Ausbildung besonders aus und greife schon seit vielen Jahren das auf, was moderne Hirnforschung und zielführende Pädagogik heute propagierten.

Einen bestimmten Schulabschluss müssen die BewerberInnen nicht vorweisen. Aber: „Die Ausbildung ist durchaus anspruchsvoll. Im vierten Jahr muss eine Jahresarbeit erstellt werden, die ein Thema vertiefend und forschend bearbeitet“, so Wecker. Die Auszubildenden sollten volljährig sein, da die freie Ausbildung als staatlich geförderte Weiterbildung fungiert.

Wie hart die Arbeit und körperliche Belastung auf dem Hof sein können, wird von den Auszubildenden oft unterschätzt. „Wir haben eine gewisse Abbrecherquote“, erzählt Wecker. „Im ersten Jahr zeigt sich, ob der Weg zum Demeter-Landwirt und -Gärtner für die Teilnehmer wirklich der richtige ist. Gerade diese Entwicklungs- und Erkenntnischance macht unser Angebot besonders wertvoll, denn selbst die Abbrecher profitieren von den Erfahrungen und Eindrücken.“

Im Gegensatz zu den meisten Berufsausbildungen, die im August oder September eines Jahres anfangen, beginnt das Programm immer zum ersten März. Dennoch ist es beliebt. Pro Jahrgang werden im Schnitt 20 Lehrlinge aufgenommen, sodass sich insgesamt etwa 80 Personen in der Ausbildung befinden. „Dieses Jahr hatten wir zum ersten Mal sogar die Situation, dass wir nicht allen Interessierten einen Platz geben konnten“, so Wecker. 30 Auszubildende hätten anfangen können, einige weitere ständen auf einer Warteliste.

Die freie Ausbildung ist ein duales System, bei dem 80 Prozent der Ausbildung in den Betrieben stattfindet und 20 Prozent in den eingegliederten Seminaren.

Die Lehre wird auf mindestens zwei verschiedenen Demeter-Höfen absolviert. Ein Ausbildungsjahrgang wird von zwei SeminarleiterInnen geführt.

Neben der praktischen Arbeit wird theoretisches Grund- und Fachwissen vermittelt, wobei der natur- und geisteswissenschaftliche Hintergrund einbezogen wird.

Die Vermittlung erfolgt durch praktisch tätige Landwirte und externe Fachkräfte. Darüber hinaus organisieren die Azubis innerhalb eines Lehrjahres gemeinsame Veranstaltungen.

Nach zwei Jahren findet eine Zwischenprüfung statt, die dem Lernenden den Stand seines Wissens und Könnens vermittelt. In dieser Zeit hat der Lehrling ein Tagebuch geführt, ein Herbarium angelegt und Monatsberichte geschrieben, die zur Zwischenprüfung vorgelegt werden.

Im dritten Lehrjahr wählen die Lehrlinge ein zu ihrem Interessengebiet passendes Thema und erstellen eine Projektarbeit zur Vorbereitung auf die Abschlussarbeit im vierten Lehrjahr.

Weitere Informationen über die freie Ausbildung im Norden: www.freie-ausbildung-im-norden.de.

Finanziert wird die Ausbildung zum Teil aus Mitgliedsbeiträgen der Demeter-Höfe, aber ein maßgeblicher Teil kam bis 2014 zudem vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium und aus EU-Töpfen. Seit letztem Jahr fehlen diese Gelder: „Momentan finanzieren wir uns über Stiftungsgelder, Crowdfunding und über eine Überbrückung vom Landwirtschaftsministerium. Wir können nur begrenzt Kosten senken, ohne unseren Qualitätsanspruch zu gefährden“, sagt Wecker. Ab diesem Monat sollen neue Mittel vom Land Niedersachsen kommen – allerdings ist die finale Zusage noch nicht gekommen.

Zwar kann man mit dem Abschluss in Demeter-Betrieben arbeiten, staatlich anerkannt ist die Ausbildung jedoch nicht. Über einen Umweg ist diese Anerkennung dennoch machbar: „Es gibt durch eine Ausnahme im Berufsbildungsgesetz die Möglichkeit, nach viereinhalb Jahren Praxiserfahrung die Gesellenprüfung abzulegen“, verweist Wecker auf eine Chance, die viele AbsolventInnen der freien Ausbildung nutzen.

Wer im Februar seinen Abschluss mache, könne dann im Sommer die Prüfung bei der Landwirtschaftskammer machen. „Auch wenn die Prüfung keine Pflicht mehr ist, empfehlen wir den Lehrlingen, sie zu absolvieren, da ein staatlich anerkannter Abschluss beispielsweise bei der Beantragung von Fördergeldern hilfreich ist“, sagt Wecker. Viele der Lehrlinge werden nach ihrem Abschluss von den Betrieben übernommen, manche entscheiden sich im Anschluss für ein Studium.