LeserInnenbriefe
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Arrogante Weltferne

betr.: „Grüne in der Ceta-Falle, taz vom 27. 5. 16

Da werben Heerscharen von Politikern vorwiegend aus dem „bürgerlichen“ Lager für die wunderbaren Vorteile von Freihandelsabkommen, deren Inhalte sie offenbar gar nicht genau kennen und/oder verstehen. Ist es daher nicht geradezu entlarvend, dass Volksvertreter erst ein staatsrechtliches Gutachten brauchen, um zu verstehen, wofür sie zum Teil im parteihörigen Herdentrieb geworben haben und worüber sie nun abstimmen sollen? Muss man sich da noch wundern, wenn sich angesichts dieser abgehoben-arroganten Weltferne Teile des Wahlvolks von den etablierten Parteien oder gar der Demokratie abwenden?

Immerhin muss man dem grünen Ministerpräsident zugutehalten, dass er sich wenigstens um eine Interpretationshilfe bemüht hat, auch wenn ihm das jetzt vielleicht peinlich sein mag oder ihm das Ergebnis nicht in den Kram passt. Vielleicht sollte er einfach mal auf seine Parteifreunde Sven Giegold oder Gerhard Schick hören, die dem Interesse des gemeinen Wahlvolks offenbar noch näher sind.

KLAUS-ULRICH BLUMENSTOCK, Stuttgart

Neuerungen brauchen Regeln

betr.: „Warum ich meine Waschmaschine nicht wegwerfe“,taz vom 27. 5. 16

Mein Vater hätte gesagt: „Das Ding hat zwei Seiten: eine schlechte und eine ganz schlechte.“

Ich bin immer wieder entsetzt, wenn junge und auch ältere Menschen beieinander am Tisch sitzen und gebannt lächelnd auf das Smartphone starren – jeder auf seines, versteht sich. Auch ich vertrete die Meinung, dass ein Smartphone die Menschen vereinsamen kann, aber eben auch einen großen Nutzen haben kann – wie alle technischen Neuerungen.

Ich muss mein Smartphone nicht bedienen, wenn es fiept. Man kann sich disziplinieren und kurz überlegen: Welche wirklich wichtige Nachricht erwarte ich? Ich schaue auch erst aufs Display meine Telefons, wenn ich keine Lust habe dranzugehen, oder ich sage zu meinem Mann: „Jetzt nur noch Familienanrufe.“ Wer will sich denn heutzutage noch fremdbestimmen lassen? Doch ich lächle selig, wenn ich am neuesten Erlebnis meines einjährigen Enkels per Smartphone teilhaben kann. Und dann gibt es auch Menschen, die auf dieses Tor zur Welt angewiesen sind.

Meine Tochter hat eine eigene Tischordnung für ihr Zuhause: am Esstisch – Handyverbot. Neuerungen brauchen Regeln und ein Erlernen des Nutzens, ob das die Eisenbahn war oder ob es heute das Smartphone ist. SIBYLLA M. NACHBAUER, Erlangen

Eine Utopie?

betr.: „Heißer Kampf in Paris“, taz vom 27. 5. 16

Ich könnte es mir leicht machen: Als Kapitalismuskritiker tönen: Wenn dein starker Arm es will … dann hilft nur eine Revolution. Aber da gibt es noch andere Rufer, die Demokratie lästig finden und schreien: „Seht ihr, Hollande und Sarkozy können es nicht, sie sind zu schwach, wir Franzosen können es besser ohne Deutschland und die kranken Nachbarn, ohne Europa war alles besser!“ Oder wegschauen, das wäre ja nicht so schlimm, wenn die SUV-Protzer mal ein paar Tage pausieren müssen, gut für das Klima.

Nein, hier geht es um elementare Rechte von Menschen, die sich nicht länger von einem Globalisierungsgespenst gängeln lassen wollen und die „ökonomischen Sachzwänge“ in einer eigentlich reichen Gesellschaft nicht akzeptieren wollen. Und die kein fortschrittliches Sprachrohr im französischen Parteiensystem finden. Demokratie scheint ein Luxusproblem zu sein, das nur funktioniert, solange seine Anwender den Eindruck haben, dass die Verteilung des Wohlstands einigermaßen gerecht funktioniert.

Der von kapitalstarken Unternehmen betriebene Ausbau der Atomwirtschaft war eine Sackgasse – für alle Beteiligten. Wären die gleichen Anstrengungen damals schon in die Entwicklung erneuerbarer Energien und neuer Antriebsformen geflossen, wäre Frankreich heute führende Industrienation.

Mein Wunsch wäre es, dass es den französischen Arbeitern und Gewerkschaften gelingt, alle Franzosen mitzunehmen, um einen halbwegs starken demokratischen Staat zu erhalten, mindestens, bis der letzte Atommüll versenkt ist. Eine Utopie?

DIETMAR RAUTER, Kronshagen

Kinderschokolade

betr.: „Auf der richtigen Seite“, taz vom 26. 5. 16

Die Herausgabe dieser Kinderschokoladen-Kreation sowie der beschämende Shitstorm im Internet sollte zum Anlass genommen werden, darauf hinzuweisen, dass Herr Boateng in Deutschland geboren ist und in Deutschland lebt, er hat eine deutsche Mutter und spricht besser Deutsch als mancher Durchschnittsbürger. Diejenigen, die der Meinung sind, für Produkte kämen nur deutsche Ideal-Kinder mit vergangenem Aussehen in Frage, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie noch in einem gewissen „Lebensborn-Denken“ (blond und blauäugig) leben. Damit rücken sie sich selber in eine Ecke, wo sie vermeintlich gar nicht hingestellt sein möchten.

Des Weiteren sollte klargestellt werden, dass Fußballspieler wie Herr Boateng durch ihre überdurchschnittliche sportliche Leistung für Deutschland und das Ansehen in der Welt mehr geleistet haben als diejenigen, die zurzeit lediglich irgendwelche vorgefertigten Parolen ihrer Partei auf Parteitagen und der Straße nachbrüllen, so wie wir es schon des Öfteren in der jüngsten Geschichte in Deutschland erlebt haben.

GEORG DOVERMANN, Bonn