: „Das kannst du in keiner Stadt der Welt“
CLUBKULTUR Das Berghain stürzt im Ranking ab, die Hauptstadt wird runtergeredet. Ist das Nachtleben in der Krise? I wo! Daniel Mizgalski und Christian Mill haben ihren Laden „Magdalena“ gerade neu eröffnet
Interview Andreas Hartmann
Zwei Jahre lang existierte der Club Magdalena: In Zwischennutzung übernahm er 2012 das ehemalige Maria am Spree-Ufer, bis das Yaam einzog. Dann hatte das Magdalena Pause, bis mit dem ehemaligen Hafenkraftwerk Alt-Stralau eine neue Bleibe gefunden wurde. Ein gigantischer Komplex, der jedoch komplett entkernt werden musste. Schon im letzten Jahr begann der Club mit Open-Air-Partys im Garten, während die Umbauarbeiten im Gebäude weitergingen. Ende Februar wurde der Clubbetrieb an der neuen Wirkungsstätte aufgenommen, vorerst auf zwei Stockwerken, irgendwann sollen vier bespielt werden. Der Mietvertrag ist unbefristet und gilt, bis die Autobahn kommt, die hier gebaut werden soll. Das dauert jedoch noch ein paar Jahre. Ein Gespräch mit den beiden Magdalena-Betreibern Daniel Mizgalski und Christian Mill.
taz: Die britische Fachzeitschrift DJ Mag hat das Berghain in seiner aktuellen Ausgabe nur auf dem 16. Platz der besten Clubs der Welt gelistet. Vor sieben Jahren war es noch Spitzenreiter. Geht es abwärts mit der Berliner Clubkultur?
Daniel Mizgalski: Bei diesen Clubcharts ist wahrscheinlich viel Geld mit im Spiel, wer weiß, was da gekauft wurde. Diejenigen, die sagen, es würde abwärtsgehen mit der Berliner Clubkultur, das sind doch nur Neider. In Berlin kannst du immer noch rund um die Uhr weggehen, das kannst du so in keiner anderen Stadt auf der Welt. Ich bin selbst DJ, und egal, wo ich hinkomme, überall sind um 5 oder um 6 Uhr morgens die Partys zu Ende. Zu der Zeit geht es bei uns doch erst so richtig los. Darum kommen die Touristen immer noch nach Berlin: weil sie hier von Samstag bis Montag durchfeiern können.
Aber die etwas kleineren Clubs sind von der internationalen Strahlkraft des Berghain abhängig, oder nicht?
Christian Mill: Ja, von dem internationalen Standing des Berghain und des Tresor profitieren die anderen Clubs und auch wir durchaus. Die Leute, die nach Berlin auf Clubtour kommen, schauen dann eben, was sonst noch so geht in der Stadt. Das Besondere an Berlin ist immer noch, dass man die Clubs im Stadtzentrum hat. Nimmt man dagegen Städte wie London oder Amsterdam, stellt man fest, dass hier das Nachtleben eher in die Außenbezirke verlagert wurde. Clubhopping wie in Berlin ist da gar nicht drin. In Friedrichshain etwa kann man innerhalb einer Viertelstunde locker zehn verschiedene Clubs besuchen.
Zeigt der Absturz des Berghain auf der Liste nicht, dass sich die Berliner Clubszene zu gemütlich eingerichtet hat, zu wenige neue Wege geht?
Mizgalski: Was man schon beobachten kann, ist, dass alle Clubs in Berlin zu sehr dasselbe machen. Alle wollen cool sein und an der Tür stark selektieren. Alle wollen so sein wie die großen drei, wie Berghain, Watergate und KaterHolzig, und dabei so aussehen wie früher die Bar25 mit diesem Bretterverhau, der als typisch für Berlin gilt.
Mill: Gleichzeitig erfindet sich die Berliner Clubszene aber immer noch permanent neu. Es machen immer mal wieder Clubs zu, dann machen wieder neue auf. Auch diese ganzen Nischenläden – irgendwo im Keller, dritter Hinterhof –, so was gibt es ja auch noch.
Wie wichtig ist es, sich mit einem Alleinstellungsmerkmal aus der Masse an Clubs hervorzuheben?
Mill: Ziemlich wichtig. Wir versuchen uns klar innerhalb der Berliner Clublandschaft zu positionieren. Unsere Besonderheit ist, dass wir bezüglich der Türpolitik ein eher lockerer Laden sind. Wir selektieren auch, sind aber ein Ort für jedermann. Wer nicht gerade in Nazi-Klamotten aufläuft oder ein, sagen wir mal, total aufgepumpter Prolet ist, kommt bei uns auch rein. Flache Selektion nennen wir das.
Seit Dancefloorsound in den USA boomt, ist die Rede davon, dass das US-Clubkonzept à la Las Vegas – hohe Eintrittspreise, Schampus am Tisch, Pool im Außenbereich – auch zu uns kommt. Ist es Zeit für einen richtigen Schicki-Club in Berlin?
Christian Mill
Mill: Ich glaube nicht, dass das hier funktionieren würde. Wir hatten bei unserem Laden eher im Gegenteil Angst, dass der nach dem Umbau zu schick aussieht.
Mizgalski: Das funktioniert in Berlin nicht. Als die DJ-Stars Tiesto und David Guetta im Flughafen Tempelhof spielten, kamen nur 4.000 Leute. Wenn die irgendwo anders auf der Welt auftreten, dann vor mindestens 20.000 Besuchern. Selbst Sven Väth spielt im Watergate nur vor 800 Leuten, sonst eher vor 10.000.
Sie haben nun ein gigantisches Gebäude zur Verfügung gestellt bekommen, das Ihnen Planungssicherheit erlaubt. Hat die Politik in Berlin inzwischen erkannt, was sie an den Clubs hat?
Mizgalski: Wir haben viel Unterstützung bekommen von der Politik, die Ämter waren sehr kooperativ. Die Stadt Berlin hat mitbekommen, dass der Großteil der Touristen wegen der Technobewegung in die Stadt kommt. Und viele der Politiker wollen das, was sie als Anziehungskraft haben, erhalten.
Mill: Vor allem die jüngere Politikergeneration. Die nimmt die Clubkultur als Wirtschaftsfaktor wahr. Und weiß, dass Nachtleben Arbeitsplätze und Steuereinnahmen generiert. Alle Parteien haben jetzt einen Clubbeauftragten. Auch hier in der Gegend, in der Umgebung der „Magdalena“, wo es so einige Clubs gibt, bemerkt man diese Sensibilität. Wenn hier heute neben einem bereits bestehenden Club ein Investor etwas bauen will, dann wird er darauf hingewiesen, dass es da einen Ort zum Feiern gibt und er damit klarkommen muss. Gerade der CDU und der SPD haben auch wir ziemlich viel zu verdanken. Dass ich so etwas mal sagen würde, das hätte ich freilich vorher auch nicht gedacht.
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