OFF-KINO

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Lars Penning

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Mit Farbe im Film beschäftigt sich in diesem Monat die Magical History Tour im Arsenal-Kino und hat mit F.W. Murnaus „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1921) ein schönes Beispiel aus der Stummfilmära gefunden, das die Virage und ihre Einbeziehung in die Dramaturgie eines Filmes verdeutlicht. Die Virage war ein Verfahren, um Schwarz-Weiß-Filme einzufärben, bei dem die als Filmunterlage dienende Gelatine mit Farbstoffen versehen wurde, was sich vor allem auf die hellen Bildpartien auswirkte. So wurden ganze Sequenzen eingefärbt – manchmal, um Lichtverhältnisse zu symbolisieren (zum Beispiel blau für die Nacht), manchmal in komplett übertragenem Sinn (zum Beispiel rot für heiße Liebesszenen). Nachdem diese Technik mit dem Aufkommen des Tonfilms ein Ende gefunden hatte und die alten, leicht entflammbaren Nitrokopien auf schwarz-weißen Sicherheitsfilm umkopiert worden waren, geriet die Virage in der Filmgeschichte in Vergessenheit. Doch sieht man Murnaus unautorisierte „Dracula“-Verfilmung in einer Schwarz-Weiß-Fassung, muss man sich Folgendes fragen: Wenn der Vampir am Ende von einem Sonnenstrahl zerstört wird, warum sieht man ihn dann vorher dauernd am helllichten Tag mopsfidel durch die Gegend hüpfen? Die Antwort ist eigentlich klar: Die Nachtszenen wurden am Tage gedreht und erst später blau viragiert. Jenseits der Farbgebung besticht „Nosferatu“ mit seiner Naturmystik, denn anders als die meisten deutschen Spukfilme jener Zeit wurde er vornehmlich in natürlichen Dekors gedreht, die eine Atmosphäre des Übernatürlichen erzeugen: Der Horror entsteht aus dem Alltäglichen (11. 5., 19.30 Uhr, Arsenal 2).

Ebenfalls ein Klassiker des Farbfilms: Michelangelo Antonionis Lebenskrisendrama „Die rote Wüste“ (1964), in dem die farblich verfremdete Industrielandschaft Oberitaliens als Auslöser und Spiegel der seelischen Krankheit der Protagonistin Giuliana (Monica Vitti) dient (Om engl. U, 5. 5., 20 Uhr, 7. 5., 19.30 Uhr, Arsenal 2).

Der Stummfilm um Mitternacht im Babylon Mitte ist diesmal ein früher Hitchcock: Das Melodram „Easy Virtue“ (1927) entstand nach einem Theaterstück von Noël Coward und entwickelt im Rahmen einer Geschichte um eine einst in einen Gesellschaftsskandal verwickelten Frau Motive, die Hitchcock in späteren Filmen aufs Neue variiert hat: Beziehungen, in denen sich die Partner fremd sind, ein Sohn und seine Beziehung zu einer dominierenden Mutter sowie eine sehr katholische Sicht auf die sexuelle Leichtfertigkeit einer Frau und ihre Sühne (7. 5., 23.59 Uhr, Babylon Mitte).