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KUNST

KunstNoemi Molitorschaut sich in Berlins Galerien um

Kunst als Wonhzimmerdeko, Kunst, die schwindelig macht, Kunst als Ausnüchterungszelle. Bei all den hübsch zurechtgemachten Verkaufsschlagern für The One Percent beim Gallery Weekend stellte sich eine Mischung aus Fremdschämen, Fassungslosigkeit und Trotz ein. Bei den vielen Gesprächen über die Ungleichheiten des Business blieb die Frage zurück, wie sich diese Problematik in einer Ethik des Sehens und vor allem des Förderns von Kunst niederschlagen müsste oder überhaupt noch kann.

Die Rosinen am Wochenende hatten jedenfalls die Form von Sardinen, animierten Vogelwesen und Wasserspiegelungen. Den blaugrünen Grundtönen in Öl, in denen Viktor Man seine Porträts taucht, widmete Karl Holmqvist ein Wandgedicht über Ölsardinen und die kunsthistorischen Tiefengründe der Malerei. Im MD72 -Standort der Galerie Neu versetzte Mans kleinformatiges Porträt „Lermontov dansant comme Saint Sebastien“ (2014) den Blick in Unruhe, nur um ihn gleich wieder zu besänftigen. Wie verspiegelt verdoppelt sich das rechte Auge. Ein unheimliches Wackelbild scheinbar, doch die dunkle Unterwasserpalette fängt den Moment des Schwankens unerwartet sanft auf (bis 5. 6., Di.–Sa., 12–18 Uhr, Mehringdamm 72).

Carsten Nicolai ließ bei EIGEN + ART mit seiner Installation „reflektor distortion“ künstliches Licht auf eine parabolisch geformte Schale voll Wasser fallen, die sich dank eines Motors im Kreis dreht. Der schwindelerregendste Moment: Wenn sich das Wasser noch bewegt, obwohl die Schale zum Stillstand gekommen ist und das Licht der Neonröhren darin Wellen schlägt (bis 28. 5., Di.–Sa., 11–18 Uhr, Auguststr. 26).

Anziehend und abstoßend zugleich auch Anke Röhrscheids Ausstellung „Phenomena in Space“ bei DNA Berlin.Angesichts der Videoarbeit „Apperception“ zog sich in mir alles zusammen: Flüssiges Magma wabert umher, in seine Bewegungen reihen sich animierte Vogelwesen ein, die in einer Kette auf den Zuschauerraum zufliegen und dabei unheimliche abstrakte menschliche Züge annehmen (bis 29. 5., Di.–Sa., 11–18 Uhr, Auguststr. 20).

Es bleibt auch: Ernüchterung über die oben erwähnte Schere. Projekträume haben Schwierigkeiten, ihre Miete zu bezahlen, dabei bieten sie die meiste kreative Freiheit. Die Berlin Art Week liebte sie letzten Herbst, doch wo sind die nötigen Mittel? Am Wochenende stellen Marie-Jo Ourtilane und Heiko Pfreundt als Leiter_innen des Project Space Festival 2016 den neuen Open Call bei Decad vor. Bis 22. Mai können sich Projekträume für die Teilnahme im August bewerben. So es sie denn noch gibt! (8. 5., 16 Uhr, Gneisenaustr. 52).

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