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Im Juli kommt der neue Chef

Geheimdienst Die Bundesregierung tauscht den BND-Präsidenten aus. Christdemokrat Bruno Kahl, derzeit Abteilungsleiter im Finanzministerium, folgt auf Gerhard Schindler

So sieht er aus: Bruno Kahl, BND-Chef in spe Foto: Michael Kappeler/dpa

von Sabine am Orde und Konrad Litschko

BERLIN/MÜNCHEN taz | Am Dienstagmittag besichtigte Gerhard Schindler noch mit Kanzlerin Angela Merkel das Terrorabwehrzentrum in Berlin-Treptow. Da dürfte er bereits gewusst haben, dass dies einer seiner letzten offiziellen Auftritte als BND-Chef war: Die Bundesregierung versetzt den 63-Jährigen zum 1. Juli in den einstweiligen Ruhestand.

Nachfolger an der Spitze des Auslandsgeheimdienstes wird Bruno Kahl, 53, derzeit Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium. Zuvor arbeitete der Jurist im Bundeskanzleramt, in der Unionsfraktion, später unter Wolfgang Schäuble im Innenministerium. Der Christdemokrat, den Kanzleramtsminister Peter Altmaier am Mittwoch als künftigen BND-Chef vorstellte, wollte sich inhaltlich zu seiner neuen Aufgabe noch nicht äußern.

„Der Bundesnachrichtendienst steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen, die alle Bereiche seiner Arbeit betreffen“, sagte Altmaier recht allgemein. Warum die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt einen Wechsel an der Spitze des BND vollzieht, dazu äußerte er sich nicht. Das Aufgabenprofil des BND müsse mit Blick auf veränderte sicherheitspolitische Herausforderungen – wie den internationalen Terrorismus und die Cybersecurity – weiterentwickelt werden, so Altmaier. Zudem müssten organisatorische und rechtliche Konsequenzen aus den Arbeiten des NSA-Untersuchungsausschusses gezogen und müsse der Umzug des BND nach Berlin organisiert werden.

Schindler hatte 2012 mit forschem Auftritt und dem markigen Spruch „No risk, no fun“ seinen Posten als Präsident des BND und seiner 6.500 Mitarbeiter angetreten. Im Jahr da­rauf stand er im Fokus der NSA-Affäre: Der BND-Chef habe den „dringenden Wunsch“, enger mit der NSA zu kooperieren, hieß es in den Snowden-Papieren.

2015 tauchte eine „Selektorenliste“ mit Tausenden NSA-Suchbegriffen auf, die der BND durch sein Datensystem laufen ließ – auch Namen von europäischen Politikern und Unternehmen. Fast alle europäischen Botschaften in Berlin habe der BND abgehört, hieß es zuletzt. Schindler versprach mehr Kontrolle und Transparenz. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt seit März im Bundeskanzleramt auf Eis. Altmaier sagte am Mittwoch, eine gesetzliche Regelung solle möglichst noch in diesem Jahr verabschiedet werden.

Schindler hatte den Posten 2012 mit forschem Auftritt angetreten

„Es reicht nicht, den Präsidenten zu tauschen. Das Kanzleramt muss endlich Verantwortung für den unkontrollierten Dienst übernehmen“, sagte Martina Renner, Linken-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss, der taz. Schindler dürfe kein Bauernopfer einer Regierung sein, die notwendige Reformen bei den Geheimdiensten scheue, kritisierte auch der Grüne Kon­stantin von Notz. Es spreche viel dafür, dass die Kanzlerin versuche, das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten.

Die SPD dagegen scheint uneins in der Einschätzung zu sein. Während Parteichef Sigmar Gabriel sagte, er habe kein Pro­blem mit dem neuen BND-Chef, twitterte Innenexperte Burkhard Lischka: „So richtig stichhaltige Gründe für den Wechsel des BND-Präsidenten kann ich nach wie vor nicht erkennen.“

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