: Absolute Mehrheit für Regierungschef Vučić
Serbien Die serbische Fortschrittspartei kommt bei den vorgezogenen Parlamentswahlen auf fast 50 Prozent der Stimmen. Sie gewinnt auch in der autonomen Provinz Vojvodina. Einziger Schönheitsfehler: Viele Kleinstparteien überwinden Fünfprozenthürde
Aus Belgrad Andrej Ivanji
Zweimal in den vergangenen vier Jahren hat Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vučić vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt. Wie schon 2014 bestellte er auch am vergangenen Sonntag erneut seine Dominanz unter Beweis: Seine Serbische Fortschrittspartei (SNS) bekam fast 50 Prozent der Stimmen und verteidigte die absolute Mehrheit im Parlament. Die SNS habe ein „historisches“ Ergebnis erzielt, er sei „stolz und sich seiner „großen Verantwortung bewusst“, sagte Vučić. In der Wahlnacht gab er sich bescheiden und ließ keine Spur von Triumphalismus erkennen.
Während der alte und neue Ministerpräsident seinen Wahlsieg feierte, lagen vier Oppositionsparteien knapp über oder unter der Fünfprozenthürde und mussten bis in die frühen Morgenstunden um ihren Einzug ins Parlament bangen. Erst am Montagmorgen gab die Wahlkommission vorläufige Endergebnisse bekannt: Die SNS erreichte 48,25 Prozent, die Sozialistische Partei Serbiens (SPS) – Einheitliches Serbiens (JS) 11,01 Prozent. Die Serbische Radikale Partei (SRS) kam auf 8,05 Prozent, die Demokratische Partei (DS) auf 6 Prozent. Drei weitere Parteien übersprangen die Fünfprozenthürde: Die Bewegung „Es ist genug“ (5,99 Prozent), die SDS-LDP-LSV (5,03 Prozent) sowie die Demokratische Partei Serbiens (DSS) – Dveri (5 Prozent). Ins Parlament zieht auch noch der Bund der Ungarn der Vojvodina ein.
Wie 2014 könnte die SNS allein die Regierung bilden oder sich einen Koalitionspartner suchen, was Vučić vorzieht. Das wird diesmal komplizierter. Während der Wahlkampagne kam es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen der SNS und der bisher mitregierenden SPS. Deren Chef Ivica Dačić war Mediensprecher von Slobodan Milošević. Nach der demokratischen Wende im Jahr 2000 war seine SPS mehrmals das Zünglein an der Waage für eine Regierungsbildung. Nach den Wahlen 2014, als Vučić an die Macht kam, war Dačić als Juniorpartner Ministerpräsident und in der letzten Regierung Außenminister.
Der Regierung stehen aufgrund des Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Massenentlassungen im öffentlichen Sektor und die Schließung dutzender maroder staatlicher Unternehmen bevor. Langfristig wäre es für die SPS vielleicht klüger, in die Opposition zu gehen, anstatt sich wieder an Vučić zu binden, dessen Popularität nur sinken kann. Nach all den scharfen Worten in Richtung SPS ist es für Vučić auch nicht einfach Dačić wieder in die Regierung zu holen.
Alle anderen Parteien lehnten noch in der Wahlnacht eine Zusammenarbeit mit der SNS ab, der sie „Korruption, Vetternwirtschaft, Unterdrückung der Medien, Machtmissbrauch und undemokratische Umgangsformen“ vorwerfen.
Die rechtsradikale SRS, deren Chef Vojislav Šešelj im März vom UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien freigesprochen wurde, und das patriotische Bündnis DSS – Dveri, wollen mit Vučić nichts zu tun haben, solange er nicht den EU-Kurs aufgibt und sich enger an Russland bindet. Aus der Sicht von Vučić ist der einzige Schönheitsfehler dieser Wahlen der Einzug so vieler Parteien ins Parlament. 2017 stehen Präsidentschaftswahlen an und eine Wiederwahl des jetzigen Staatschefs und SNS-Gründers Tomislav Nikolićscheint nicht sicher.
Jedenfalls hat es die SNS geschafft, auch in der autonomen Provinz Vojvodina, in der bisher die DS regierte, an die Macht zu kommen. So hat Vučić seine Alleinherrschaft gefestigt, doch es könnte für ihn bald einsam an der Spitze werden.
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