Press-Schlag: Ein solcher Moment der Scheiße
Ist doch nichts passiert. Bayern ist nicht Meister, wird’s aber. Dortmund gewinnt weiter, wird dennoch doch nicht Meister. Beim Hamburger SV herzt man sich gegenseitig, weiß jedoch nicht, warum. Hannover steigt ab, weint aber nicht, während Köln in der Liga bleibt, doch nicht ans Jubeln denkt. Und Schalke, ja, Schalke, verliert mit der ganzen Tragik der Vereinsgeschichte. Und reagiert großartig.
Jubel. Ausgelassener Jubeltrubel. Überbordende Freude. Und natürlich ein paar Glückstränen. So ungefähr hätte es wohl ausgesehen, das Bild des Spieltags, das sich die Bayern und ihre Fans erträumt hatten. Gut, außer Pep Guardiola, der die ganze Woche über darauf beharrt hatte, dass Borussia Dortmund nicht gegen Stuttgart verlieren werde. Aber wirklich verlassen kann man sich auf den BVB in dieser Saison nun einmal nicht.
Wobei das mit den Meisterjubelfotos immer so eine Sache ist, nicht nur, wenn zum xten Mal Bayern München darauf zu sehen ist: Eigentlich sind es nämlich nur selten Bilder von Triumph und großem Glück, die sich als Symbol für eine Saison einprägen. Oder zumindest von einen Spieltag bleiben. Sondern es sind vielmehr die Bilder, die sehr viel Traurigkeit zeigen und großes Unglück, das keineswegs gelassen ertragen wird.
82 Minuten lang sah es so aus, als ob Hannover 96 genau solche Bilder liefern würde, nämlich herzzerreißend weinende Absteiger plus im Schock erstarrte Funktionäre (die in kurzen Interviews nach dem Abpfiff sagen, dass man sich ab sofort auf den Wiederaufstieg konzentriere, das Ergebnis aber natürlich eine Tragödie sei, und das nicht nur für den Verein, sondern auch die ganze Region, man besonders an die treuen Fans denke – man kennt solche Statements zur Genüge).
Pustekuchen. In Köln blieben dagegen die ganz großen Klassenerhaltsjubelbilder aus, weil ein Fan schwer verunglückt war. Gegner Darmstadt zeigte sich dagegen nicht besonders schockiert darüber, weiter zumindest theoretische Chancen auf die zweite Liga zu haben – vielleicht, weil man davon träumt, Eintracht Frankfurt nächste Woche beim Derby schlimme Sachen anzutun.
Und so hätte eine HSV-interne Umarmung durchaus das Zeug gehabt, zum Bild des Spieltags zu werden – dass Pierre-Michel Lasogga am Freitag nach seinem 2:1-Siegtreffer ausgerechnet seinen Stürmerrivalen und derzeitigen Ersatzspieler Sven Schipplock herzte, wurde allgemein als sehr hübsche Geste angesehen, auch wenn nicht so ganz klar wurde, ob der Umarmte das Ganze nicht doch ein kleines bisschen herablassend fand.
Dann aber kam Schalke. Beziehungsweise kam dann doch nicht. Eine 2:0-Führung innerhalb von sechs Minuten noch in eine 2:3-Niederlage umzuwandeln muss man erst mal schaffen. Und Schalke schaffte es! Souverän! Das Foto des mit verdrehtem linken Bein vor seinem Tor auf dem Rasen sitzenden (und in den Kasten rollenden Ball zusehenden) Gelsenkirchener Torhüters Ralf Fährmann hätte alle Chancen gehabt, zum Bild des Spieltages zu werden, zeigte es doch sehr schön Unvermögen, Resignation und sich abzeichnendes großes Leid, also alles, was zumindest gegnerische Fans gern sehen.
Aber nein. Denn Schalke spielt nicht nur Fußball, sondern twittert auch. Und reagierte auf das Leverkusener 2:3 mit einem wunderschönen Gif, also einem bewegten Bild in Endlosschleife: Es zeigt ein aufgeregtes Baby, das mit weit aufgerissenen Augen dasitzt und gleichermaßen empört wie hilflos mit seinen Ärmchen wedelt. „Do not want“ steht darunter. Nichts fasst zumindest den Teil des Spieltags, an dem Schalke beteiligt war, besser zusammen. Wobei nicht alle Fans diesen wundervoll resignativen Moment zu würdigen wussten. User @joshth fordert jedenfalls: „Ey, @s04, könnt Ihr vielleicht in einem solchen Moment der Scheiße aufhören, verschissene Gifs zu posten? Danke.“Elke Wittich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen