: Der kleine Star neben den großen Stars
Volleyball Wer fliegt schon als Fan zum Spiel nach Sibirien? Bernd Paul. Seit mehr als 10 Jahren unterstützt er das Bundesligateam der Volleys. Mit der Zeit ist er eine Art Mannschaftsmitglied geworden – und darf schon mal mit Europapokal durch die Gegend fahren
von Alina Schwermer
Als der Flieger mit dem Team der Volleys nach dem Europapokalsieg in Russland am Flughafen Schönefeld landet, steht Bernd Paul nicht bei den wartenden Fans im Terminal. Das ginge auch schlecht, denn Bernd Paul war mit dabei in Sibirien. Seit mehr als zehn Jahren fährt der Anhänger des Berliner Volleyball-Bundesligisten zu jedem Auswärtsspiel – oft als einziger Fan, häufig zusammen mit der Mannschaft. So auch diesmal.
Bernd Paul ist Hardcore-Auswärtsfahrer, eine beim Volleyball nicht gerade weit verbreitete Spezies. Und für den historischen ersten Europacup-Sieg seiner Volleys Anfang April ist er zusammen mit Fanclub-Kollege Lars Wichmann rund 4.000 Kilometer in die sibirische Stadt Surgut geflogen. Natürlich waren sie die einzigen Deutschen – wer fliegt schon zum Volleyball nach Sibirien?
Bernd Paul steht am Gepäckband, noch immer kribbelt sein Bauch vor Glück. Dann bleibt das Band stehen, und er ist der Einzige, der seinen Koffer schon hat. Er will da nicht allein raus, der Jubel soll der Mannschaft gehören. Von draußen aber singen die Fans unermüdlich: „Wir wollen die Mannschaft sehn!“ Das Team drängt ihn. Und so geht Bernd Paul doch raus.
Als erster Sibirienfahrer der Volleys läuft er durch die Gate-Türen und teilt den Fans mit, was sie längst wissen: „Wir haben den Europapokal.“
Das Fanleben in Zahlen sieht bei Bernd Paul so aus: 214 Auswärtsfahrten an 65 verschiedene Orte, 38 Auslandsreisen, 15 Länder. Die Statistik führt der 62-Jährige selbst, und er notiert auch alles, was sonst noch wichtig sein könnte. Wie oft sie gewonnen haben: 144-mal; wo er am häufigsten war: 31-mal in Friedrichshafen; mit welchen Vereinen er Fanfreundschaften hat. Und so weiter.
Im Volleyball ist das Fandasein ein anderes als im Fußball: „Es ist alles so familiär“, sagt Paul. „Die Spieler bedanken sich bei jedem Auswärtsspiel, dass du da warst, ich habe mit vielen von ihnen persönlichen Kontakt. Meine Frau und ich werden zu Mannschaftsfeiern eingeladen.“
Die Volleys sind das Volleyballteam des SC Charlottenburg, sie spielen in der Bundesliga. Bis 2011 war die Mannschaft unter dem Namen SCC Berlin bekannt. Er ist 1991 durch die Vereinigung von drei Mannschaften entstanden. Derzeit absolvieren die Volleys Heimspiele in der Max-Schmeling-Halle.
Seither konnten die Volleys, die aktuell von einem Müllverwerter gesponsert werden, sechs deutsche Meisterschaften gewinnen und kämpfen auf nationaler Ebene regelmäßig mit dem VfB Friedrichshafen um den Titel der besten Mannschaft.
In dieser Saison konnte sich die Mannschaft von Trainer Roberto Serniotti bereits den DVV-Pokal sowie den europäischen CEV-Cup sichern. Letzteres war der erste CEV-Pokalsieg einer deutschen Mannschaft überhaupt. Derzeit stehen die Volleys außerdem im Finale um die deutsche Meisterschaft und könnten mit einem Sieg das historische Triple gewinnen. (asc)
Er zeigt die WhatsApp-Nachrichten, die er vorhin noch mit einem Exspieler geschrieben hat. Für Excoach Mark Lebedew hat er zum Abschied ein Fotoalbum gebastelt, bald will er ihn in Polen besuchen. Beim Fußball werden Auswärtsfans von Polizeikohorten empfangen – beim Volleyball applaudieren ihm sogar die gegnerischen Fans und schenken ihm Fanschals (Stand der Statistik: 25 Schals).
Bernd Paul, Leiter der Tischtennis-Abteilung beim TSV Charlottenburg, kam Ende der 1990er Jahre über seine Freundschaft mit Volleys-Manager Kaweh Niroomand zu der Sportart. Damals, erinnert sich Paul, waren sie „ein kleiner Haufen in der Sömmeringhalle“. Mittlerweile, in der über 10.000 Menschen fassenden Max-Schmeling-Halle, zählt der von ihm mitbegründete Fanclub „Der 7. Mann“ um die 250 Mitglieder.
Natürlich schwindet mit wachsender Fanbasis auch beim Volleyball die Romantik; da wird nicht mehr jeder Fan zur Mannschaftsfeier eingeladen. Paul indes genießt reichlich Privilegien – bei Titelgewinnen bekommt er sogar eine eigene Medaille. Das allerdings dürfte nicht nur an seinen vielen Fahrten liegen: Seit rund 15 Jahren ist Paul auch Sponsor der Volleys.
Mit selbst gebackenem Kuchen fürs Pausenbuffet fing er einst an; dann kam er mit seiner eigenen Firma zu Geld und investierte es in seine Lieblingsmannschaft. Heute versorgt Paul die Volleys, die zudem den Namen eines Entsorgungsunternehmens tragen, nach eigener Aussage mit einer fünfstelligen Summe – keine Kleinigkeit in der Randsportart Volleyball.
Für Bernd Paul sind die Reisen mit dem Verein längst zur Passion geworden. Manchmal hängt er vor Ort noch einen Tag dran, so wie in Ljubljana, wo sie mit 13 Fanclub-Mitgliedern einen Mini-Urlaub machten. Slowenien ist seine liebste Auswärtserinnerung.
In Deutschland schätzt Paul Friedrichshafen, er ist ja auch oft genug dort. Da sitzt er dann mit seiner Frau am Bodensee im Biergarten, genießt die Sonne und ein Weizenbier – obwohl optisch die italienische Stadt Perugia am schönsten war: traumhafte Altstadt.
Und Surgut, die Stadt des Europacup-Sieges in Sibirien? Nee, meint Paul, „da hat man nix versäumt.“ Aber in Surgut ging es ja sowieso vor allem um den Titel, den ersten CEV-Pokalsieg einer deutschen Mannschaft überhaupt. Und dieses Gefühl, meint Paul, war fantastisch.
Fünf deutsche Meisterschaften hat er als Fan miterlebt, vier Vize-Meisterschaften und drei verlorene Pokalendspiele – immer gegen diese Friedrichshafener. In diesem Jahr aber haben sich die Volleys den Pokal gesichert, und die deutsche Meisterschaft ist auch noch drin. Am Sonntag ist Auftakt zum Playoff-Finale. Es könnte das historische Triple werden. „Ich bin normalerweise ein vorsichtiger Typ“, sagt Paul, „aber diese Mannschaft ist richtig stark.“
Auch mit Meisterpokalen darf er posieren. Und der Europapokal? „Ach, der Europapokal“, sagt Paul. „Den hab ich gerade im Kofferraum.“ Nach dem Sieg in Surgut habe er gefragt, ob er den Pokal mal mit zu seinem Fanclub nehmen dürfe. Klar, durfte er.
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