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Putin lässt das Volk wieder Fragen stellen

Russland Obwohl inszeniert, gibt der „Gedankenaustausch“ auch immer ein Körnchen Wahrheit preis

AUS MOSKAU Klaus-Helge Donath

Die „Direkte Leitung“ zum Präsidenten brachte erst nach einem Jahr für Dmitri Tjurischew spürbare Konsequenzen. 2015 hatte der Bauarbeiter an dem jährlich stattfindenden mehrstündigen Gedankenaustausch zwischen Volk und Führung teilgenommen. Er beschwerte sich im letzten Jahr, dass er und seine Kollegen auf der Baustelle des Weltraumbahnhofs im sibirischen „Wostotschnij“ monatelang keinen Lohn erhalten hätten.

Der Präsident versprach, der Sache persönlich nachzugehen. Als im März immer noch nichts geschehen war, kündigte Tjurischew öffentlichen Protest an. Der war für gestern geplant. Stattdessen wurde der Bauarbeiter am Vorabend in Ussurisk in Gewahrsam genommen. Die Anklage lautet: unflätiges Verhalte im öffentlichen Raum. Der Dialog misslang.

Auch gestern sprach der Kremlchef wieder dreieinhalb Stunden mit dem Volk. Die Tour d’Horizon reichte von Syrien bis zu den gestiegenen Arzneimittelpreisen. Wladimir Putin war bester Laune, sah erholt aus und schien an den Panama Papers nicht zu leiden. Dem Publikum vermittelte er denn auch den Eindruck, dass die wirtschaftliche Krise zwar noch anhalten dürfte. Doch sei das Maß noch erträglich.

Wie immer war der Doktor der Wirtschaftswissenschaften bestens präpariert und bestach durch immenses Detailwissen. Das sich im Nachhinein nicht selten auch als aus den Fingern gesogen herausstellte. Ein Faktencheck findet offiziell nicht statt. Auch gegenüber dem Westen und der Ukraine wiederholte der Präsident nur bekannte Positionen.

Gegenüber den USA gab er sich gemäßigt. Die Regierung in Washington müsse sich von ihren Großmachtambitionen verabschieden und Moskau als gleichwertigen Partner akzeptieren. Das sei bei Themen wie dem Kampf gegen den Terrorismus, dem iranischen Atomprogramm und der Abrüstung trotz aller Differenzen auch gelungen. Wenn die USA Respekt zeigen, „werden wir immer in der Lage sein, Lösungen zu finden, die jeden zufriedenstellen“, sagte Putin. Bei den Panama Papers, die der Kreml ansprechen ließ, schrieb Putin den USA gleichwohl wieder die Rolle des Hinterlistigen zu: „Wir wissen, dass Mitarbeiter der amerikanischen Institutionen damit zu tun haben“, so Putin.

Diesmal galt die Aufmerksamkeit des Therapeuten vor allem den Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise im Innern. Arbeitslosigkeit, Preissteigerungen und ausbleibende Lohnzahlungen wie schon vor einem Jahr nahmen sehr viel Zeit ein. Nun darf man sich dies aber nicht wie einen offenen Schlagabtausch vorstellen.

„Lösungen zu finden, die jeden zufriedenstellen“

Präsident Wladimir Putin

Die Zeitung RBK berichtete gestern, dass die handverlesenen Fragesteller zwei Tage in einem Erholungsheim der Präsidialadministration am Rande Moskaus auf Fragen und Verhalten vorbereitet wurden. Sie durften auch vor der Veranstaltung nicht nach Moskau aufbrechen. Vor allem aber war ihnen, so RBK, aufgetragen worden, mit niemandem, „auch nicht mit Verwandten, über die Vorbereitungen zu sprechen“.

Laut Kreml hatte die Bevölkerung im Vorfeld die meisten Fragen zum Zustand der Straßen und zur Wohnungswirtschaft gestellt. Rubelverfall und Krise hätte die Menschen weniger interessiert, hieß es. Dem folgte auch die Inszenierung der ­Putin-Show. Die Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Lewada diese Woche stellt fest, dass Krise, Rubel, Ölpreis und die Frage, wie der Kreml der Malaise entkommen will, den Fragestellern am meisten unter den Nägeln brannte. Doch dazu gab es vom Kreml keine sachdienlichen Hinweise.

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