Das Ding, das kommt
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Ohne das Pferd wäre der Mensch nicht, wo er ist (und wer er ist, wohl auch nicht). Warum sich beide trotzdem trennten – und wie –, davon handelt ein überraschender Sachbuch-Bestseller von Ulrich Raulff Foto: Ingo Wagner/dpa

Ruhig, Brauner

Dass mein Großvater noch jeden Tag damit zu tun hatte, ich mich aber kaum erinnern kann, wann ich zuletzt einem nahe gewesen bin, lässt sich, klar, biografisch erklären: Ein pommerscher Landarbeiter, Jahrgang 1923, der war unter Pferden. In den einschlägigen Hamburger Altbauvierteln muss man dazu schon auf die Reiterstaffel der Polizei treffen.

Noch in dieser sehr zufälligen Anekdote schlägt sich etwas von dem nieder, das Ulrich Raulff in „Das letzte Jahrhundert der Pferde“ (C.H Beck, 461 S., 29,95 Euro) verhandelt: Darin geht es um eine Trennung, vielleicht sogar das Ende der langlebigsten Beziehung, die der Mensch überhaupt eingegangen ist: Erst auf dem Rücken des Pferdes – und wider dessen Neigung, vor Gefahren zu fliehen – vermochte er Territorien zu erobern und zu halten; für manchen Großdenker war das Tier damit ein unabdingbares Mittel zur „großen Politik“.

Des Pferdes letztes Jahrhundert begann für Raulff, der nun im Hamburger Literaturhaus spricht, mit Napoleon. Es endete, ein wenig großzügig ausgelegt, Mitte des 20. Jahrhunderts: Da gab es irgendwann doch mehr Autos in den privaten Haushalten. Paradox daran: Gerade am Ende waren es mehr Pferde gewesen denn je. Und: „literarisch, metaphorisch und imaginär“ blieben beide sich stets verbunden.

Ist aber das Pferd eigentlich ein Ding? Ein wenig paradox siehts das deutsche Recht: Tiere betrachtet das Bürgerliche Gesetzbuch seit 1990 nicht mehr als Sachen – sie sind aber rechtlich so zu behandeln.

Das ganze Elend von beider verbliebenem Verhältnis lässt sich dann am folgenden Wochenende in den Hamburger Messehallen erleben: da eröffnet „das Messe-Erlebnis“ mit Namen „HansePferd“. Zu gerne schickte der Redaktuer da mal den schwärzestmalenden unter den philosophischen Schwarzmalern hin: Vom „Entsetzen“ schrieb E.M. Cioran einst, „dort einen Menschen wahrzunehmen, wo man zuvor ein Pferd betrachten konnte“. ALDI

„Philosophisches Café“ mit Ulrich Raulff: Mi, 20. April, 19 Uhr, Hamburg, Literaturhaus

„HansePferd 2016“: Fr, 22. April, bis So, 24. April, 10 bis 19 Uhr, Hamburg, Messehallen