„Was als National-denkmal beschlossen wurde, mutierte bald zur Spaßwippe“

Das bleibt von der Woche Der Regierende Bürgermeister will SPD-König werden, Unions Trainer Jens Keller muss temperamentvoller werden, das Projekt Einheitswippe ist gescheitert, und Raed Saleh empfiehlt sich als zukünftiger Bildungssenator

Das Team bin ich

Michael Müllers Coup

Statt als SPD mit drei Macht­zentren sichtbar zu sein, gibt es jetzt nur noch Müller

Nun wird er also König. König Michael, gekrönt auf dem Landesparteitag am 30. April im ­Hotel Estrel in Neukölln. Zum Landeschef und wohl auch SPD-Spitzenkandidaten für die Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September.

Es gibt schönere Orte für Krönungsmessen. Zum Beispiel das Museum für Kommunikation in der Leipziger Straße. An jenem historischen Ort hatte sich im November 2010 Renate Künast als die allererste, allerbeste, allererfolgreichste Kandidatin der Grünen für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin krönen lassen. Das Ergebnis ist bekannt. Künast krachte gegen die Wand, heute hört man nur noch wenig von der grünen Königin. Und die Grünen haben ihre Lehren daraus gezogen. Statt einer Spitzenkandidatin treten nun gleich vier an. Sie nennen sich „das Team“. Ob es klappt? Wir werden sehen.

Doch die Fallhöhe ist mit dem Künast-Vergleich auch für Michael Müller beschrieben. Und das Team der Grünen zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Kulturen in beiden Parteien sind. In der SPD sind seit Mittwoch, als durchsickerte, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller auch als Landeschef kandidieren wird, die Tage des Dreierteams gezählt. Statt mit drei Machtzentren sichtbar zu sein – Müller als Regierungschef, Raed Saleh als Fraktionschef und Jan Stöß als Parteichef –, gibt es jetzt nur noch Müller. Das Team bin ich. Punkt. Und ohne Komma. Selbst als Parteivize will Müller den ehemaligen Parteichef Stöß nicht mehr im Boot haben.

Damit macht sich die SPD abhängig von einem, der zwar das Vertrauen der Parteibasis genießt, aber an Wählergunst in den letzten Monaten verloren hat. Das kann gut gehen, wenn Müller im September ein passables Ergebnis einfährt. Tut er dies nicht, muss der König abtreten. Der Partei stehen dann Diadochenkämpfe bevor, die sie an den Rand ihrer Existenz als Volkspartei führen könnten. Uwe Rada

Mehr Euphorie erwünscht

Neuer Union-Trainer

Jens Keller tut sich schwer mit Emotionen, für Euphorie sorgte er selten

Jens Keller wird ab kommender Saison neuer Trainer bei Union Berlin. So die deutliche Ansage des Vereins am Montag. Ein Trainer mit Erstliga-Erfahrung, der bei namhaften Vereinen wie Stuttgart und Schalke unter Vertrag stand, bedeutet: Union möchte mit dem ewig vorgetragenen Anspruch, in die Erste Liga aufzusteigen, mehr Ernst machen. Und es ist die Fortsetzung dessen, was man schon mit der Verpflichtung von Vorgänger Sascha Lewandowski versuchte: Ein großer Name soll die Mannschaft hoch hinaus bringen.

Nachdem Lewandowski den Trainerjob im März wegen Burnouts an den Nagel hängen musste und nie beweisen konnte, ob er das Zeug dazu gehabt hätte, hat man sich in Köpenick für einen Nachfolger mit vergleichbarem Profil entschieden: Wie Lewandowski gilt Keller als bodenständiges Arbeitstier und setzt einen Schwerpunkt auf Jugendarbeit. Ein kluger und notwendiger Schachzug von Union, um gegen die starke und finanziell gut aufgestellte Konkurrenz bestehen zu können.

Dass Jens Keller die Kompetenz hat, eine Mannschaft nach oben zu führen, hat er zudem bereits auf Schalke bewiesen. Allerdings offenbarte das Engagement in Gelsenkirchen auch seine größte Schwäche: den Umgang mit dem sportlichen Umfeld. Der zurückhaltende und mausgrau wirkende Trainer tut sich schwer mit Emotionen; die Bindung zu den Fans ist nicht sein Ding, für Euphorie sorgt er selten. Bei Schalke verursachte das letztlich seine Entlassung.

Bei einem temperamentvollen Verein wie Union muss er nun also eine Schippe drauflegen, wenn er das Umfeld mitnehmen will. Zumal er um Emotionen nicht herumkommen wird: Der Platz im oberen Mittelfeld der Tabelle entspricht der Leistungsfähigkeit der Mannschaft – um nächstes Jahr tatsächlich aufzusteigen, müsste sich das Team schon in einen Rausch spielen. Dass Jens Keller diesen erzeugen kann, muss er erst noch beweisen.

Alina Schwermer

Versprechen hält man nicht

Mehr Erzieherinnen

Das geänderte Kitagesetz ist vor allem für einen gut: SPD-Fraktionschef Saleh

Das ist mal ein Versprechen: Nicht mal mehr vier Krippenkinder sollen einer Berliner Erzieherin künftig im Schnitt am Rockzipfel hängen. So jedenfalls lautet die Zielvorgabe im Gesetzentwurf zur gebührenfreien Kita, den die Koalition am Mittwoch vorstellte. Darin enthalten ist auch ein Entschluss zur „Kitaqualitätssteigerung“: 3,75 Kinder pro ErzieherIn, die gewickelt, getröstet und bespaßt werden sollen. Eine bessere Kita also, und das auch noch für umsonst.

So weit okay – jetzt der Realitätscheck. Wer morgens seinen Nachwuchs in der Kita abgibt, der weiß: Selbst die knapp sechs Krippenkinder, die einE Erzie­herIn derzeit rein rechnerisch betreut, sind an den meisten Tagen bloßes Wunschdenken – weil immer irgendwer krank, im Urlaub oder auf Fortbildung ist, sich das aber im Stellenschlüssel nicht wiederfindet. In der Kita der Autorin gingen die Kinder zwei Monate lang nicht nach draußen – weil die beiden verbliebenen Erzieherinnen es schlicht nicht schafften, 15 Ein- bis Dreijährigen ­zwischen Morgenkreis und Mittagessen die Matschhosen und Gummistiefel für den Spielplatz an- und wieder auszuziehen.

Der Gesetzentwurf der Koalition – das Parlament muss ihn noch beschließen – lässt nun sogar die sonst immer verlässlichen Nörgler einigermaßen sprachlos zurück: „Erfreut“ zeigt sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft über die anvisierte Verbesserung des Personalschlüssels. Man sei doch „überrascht“, stammelt auch der Dachverband der Kinder- und Schülerläden.

Eine Überraschung wäre, wenn eintritt, was den Eltern im rot-schwarzen Gesetzentwurf da versprochen wird – weil es schlicht nicht genug ErzieherInnen dafür gibt. Schon jetzt können rund 11.000 Kitaplätze in Berlin nicht angeboten werden, weil es an Fachkräften mangelt.

Das geänderte Kitagesetz wäre deshalb vor allem für einen gut: SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der damit eine hübsche Bewerbung als zukünftiger Bildungssenator abgegeben hat. Denn die Gratiskrippe mit mehr ErzieherInnen on top war sein Projekt. Eigentlich wäre es der Job von Bildungssenatorin und Salehs Parteikollegin Sandra Scheeres gewesen, sich damit ins Wählergedächtnis der Berliner Elternschaft einzuprägen. Dass die Versprechen nicht zu halten sein werden? Geschenkt, bei Wahlversprechen ist das so. Anna Klöpper

Es hat sich ausgewippt

Einheitsdenkmal kippelt

Für Grütters ist das Scheitern der Wippe natürlich eine Schmach

Leipzig hat sich von seinem Plan eines Freiheits- und Einheitsdenkmals schon vor längerer Zeit verabschiedet. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der „Einheitswippe“ in Berlin ein Gleiches blüht, weil der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags mögliche Mehrkosten nicht riskieren will. Mit der Berliner Schaukel am Schlossplatz hat es sich also ausgewippt. So richtig traurig scheint aber niemand zu sein. Warum?

Die Ursachen für das Aus liegen in Wirklichkeit weniger in der möglichen Kostenexplosion des bereits von 10 auf 15 Millionen Euro angewachsenen Projekts. Auch die Denkmalpfleger sind nicht schuld, weil sie sich Sorgen um das historische Fundament am Schlossplatz machten. Der Grund liegt vielmehr darin, dass die Kulturpolitiker des Bundes, Staatsministerin Monika Grütters inklusive, es nie geschafft haben, die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit und Symbolik der von Sasha Waltz und einem Stuttgarter Designerbüro entworfenen Betonschale zu überzeugen.

Denn was als Nationaldenkmal für die friedliche Revolution vom Bundestag 2007 beschlossen wurde und aus dem Bauwettbewerb hervorging, mutierte bald zur Spiel-und-Spaß-Wippe im Volksmund. Als Chiffre für 1989 taugte das Mons­trum niemals. Und gefährlich – es drohte Sturzgefahr – war das schaukelnde Ding obendrein. Anders gesagt, an ernsthaften Sinngebungen mangelte es immer.

Für Grütters ist das Scheitern der Wippe natürlich eine Schmach. Aber mehr auch nicht. Sie wird sagen, dass die Haushälter dafür verantwortlich sind. Es wird zudem wieder die Debatte losgehen, ob wir Deutsche nur Heldendenkmäler oder Mahnmale für Opfer könnten, aber keine künstlerische Form für die friedliche Revolution und das „Glück der Einheit“ (Wolfgang Thierse) zur Hand hätten. Das macht aber nichts. Nachdem die komische Wippe endlich weg ist, bleibt jetzt Zeit, sich was Neues zu überlegen. Rolf Lautenschläger