: Raus aus Schlesien
Der „Club der Polnischen Versager“ interpretierte im Grünen Salon das ein bisschen untergegangene Deutsch-Polnische Jahr auf seine ganz eigene Art
Der Abend beginnt ganz polnisch mit einem Wodka: „Auf gute Nachbarschaft!“ ruft die Frau am Einlass fröhlich und hebt das Glas. Auf den Blättern, die sie verteilt, ist Offizielles vom „Deutsch-Polnischen Jahr 2005/2006“ zu lesen, von Reisen ins östliche Nachbarland und kultureller Vereinigung. Drinnen, im Grünen Salon, sitzen Deutsche und Polen bereits eng gedrängt wie Musternachbarn bei Bier und Wein zusammen. Der Verdacht, aus Versehen in eine amtliche Kulturaustausch-Veranstaltung geraten zu sein, zerstreut sich schnell, als der Conférencier die Bühne betritt.
Adam Gusowski vom Club der Polnischen Versager holpert sich durch seine Begrüßung, verheddert sich in den Untiefen der deutschen Grammatik und wird dabei immer wieder von seinem mosernden Dolmetscher unterbrochen: Die Schauspielerinnen im angekündigten Film seien gar nicht hübsch, die vorzulesenden Gedichte reimten sich nicht, und in die Jazz-Band habe sich ein Grieche eingeschlichen.
Der unsichere Ansager und sein tiefstapelndes Alter Ego sind in Sachen Humor typische Beispiele der sich als „Polnische Versager“ bezeichnenden Berliner: Die Mitglieder des seit 2001 bestehenden Clubs sind taxifahrende Übersetzer, hausmeisternde Jazzmusiker oder auftragslose Grafiker aus Polen, die sich abseits des offiziellen Kulturbetriebs durchschlagen. Das Vereinsheim der Versager in der Torstraße ist ein Ort, an dem polnische Kultur ohne Verkrampfung und Repräsentationswillen vermittelt wird: Deutsche Off-Kultur wird hier mit Polen-Trash gemischt, Literaturverfilmungen mit obskuren Konzerten.
Als Kommentar zum von Regierungsseite ausgerufenen Deutsch-Polnischen Jahr präsentiert der Club im Grünen Salon seine eigene Version von Kulturaustausch. „Das Deutsch-Polnische Jahr geht komplett am Publikum vorbei“, kritisiert Gusowski. „Als offizielle Kunst werden Videoinstallationen in Zügen zwischen Berlin und Warschau präsentiert. Das ist so konzeptuell, dass es keinen erreicht.“ Das Programm des Versager-Abends ist dann im Gegenzug selbst finanziert und recht handfest: Der Eröffnungsfilm „Golasy“ („Die Nackten“) zeigt den ersten Arbeitstag der jungen Martha. Er endet damit, dass sie mit einem Brotmesser im Büro Amok läuft. Alle Darsteller sind nackt, speckfaltig und zellulitär, was in Polen für einen Skandal sorgte. Im Grünen Salon erfüllt der Film nur die allgemeine Erwartung an einen schrägen Abend.
Der Dichter Krzysztof Jaworski, selbst ernannter „Quasimodo der Arbeiterklasse“, liest aus seinem Buch „Das Kapital“. „Ein echter Ladenhüter“, ätzt der Übersetzer. Ein Schauspieler versucht, den Sprachwitz der Gedichte ins Deutsche hinüberzuretten. Zu knackigen Sätzen wie „Gott brät eine Revolution auf dem Kopf Majakowskis“ erscheinen Schwarz-Weiß-Fotos von Wojciech Wilczyk an der Wand – Momentaufnahmen verlassener Industrieanlagen, verrotteter Plattenbauten und ins Nirgendwo führender Bahngleise. Gusowski kommentiert: „Wenigstens sind die zwei mal aus ihrem schlesischen Kaff rausgekommen.“
Groteskes Understatement gehört zu diesem Abend wie die „schwungbeinfreundliche nichtwesteuropäische Musik“ des Club-DJs Manio, der wie eine Arbeiterkarikatur mit Schiebermütze und Hosenträgern hinter dem Pult steht. Gerade aber als das Publikum in Tanzstimmung kommt, beginnt das interkulturelle Jazz-Ensemble zu improvisieren. Der Saal leert sich schnell, obwohl die Musiker hervorragend sind: „Im Gegensatz zu echten Kulturmenschen müssen wir Versager früh raus und arbeiten“, meint Gusowski da mit spöttischem Lächeln. NINA APIN
Am 7. 12. sind die Polnischen Versager noch einmal im Grünen Salon zu Gast