der frauenkauf am nebentisch von WIGLAF DROSTE:
Dass es Witze über Ägypten und Ägypter gibt, war mir bekannt. Die Ärzte verwandelten „Walk like an Egyptian“ in „Gehn wie ein Ägypter“, und Rainer Lipski, Pianist, Saxophonist, Gitarrist und Rhythmus-Eiist des Spardosen-Terzetts, erzählte mir diesen: „Bilden Sie mal einen Satz mit Ägypten. – Mein Onkel hat ’nen Hund, ä gypt en aber kein Futter.“
Dann wurde es Buchmesse, in Leipzig, das Lokal am Augustusplatz war sehr gut, einige Tische weiter nahm Dr. Helmut Kohl Platz, verschwand aber nach einer Vorspeise, um Frank Schirrmacher Gelegenheit zu geben, auch fürderhin in ihm zu wohnen. Die frei gewordenen Plätze wurden bald wieder besetzt, und ein erstaunliches Trio füllte den Raum mit hitzigem Gespräch.
Es handelte sich um eine etwa 50-jährige Frau aus dem Ägyptischen, ihren Sohn, einen mäßig bebarteten Herrn Ende zwanzig, und um einen Sachsen in den Vierzigern. Gesprochen wurde eine Art Englisch; die Ägypterin radebrechte mit dem gutturalen Akzent des Nahen Ostens, und der Sachse färbte die ihm fremde Sprache mit dem sauren Grundton seines Dialektes ein. Obwohl drei Tische entfernt, hatte ich keine Wahl, ob ich ihnen zuhören wollte. Die Dame und der Herr aus Sachsen sprachen äußerst lebhaft; allein der Sohn war vorbildlich leise. Er sagte gar nichts.
So angenehm sein Schweigen war, so war es doch verwunderlich. Schließlich war er das Thema des Gesprächs. Er sollte heiraten, war aber offensichtlich nicht in der Lage, diese nicht ganz unprivate Lebensangelegenheit selbstständig zu organisieren. Mutter kauft ihm eine Frau. Der Sachse war der Lieferant, bot an, schilderte Größe, Form, Farbe, Gewicht, Charakter und Kaufpreis seiner Ware. Die Ägypterin hörte zu, machte abwertende Bemerkungen, um den Preis zu drücken, ihr Sohn indes schwieg. Nur einmal, als Mutter und Zuhälter handelseinig schienen, mischte er sich kurz ein und wollte protestieren. Seine Mutter wies ihn scharf und schneidend zurecht. Sie stellte ihn ab, wie man einen Apparat ausschaltet, er schwieg folgsam.
Ich stellte ihn mir bei einem Rendezvous vor, auf seine Schuhspitzen schauend, maulfaul, charmant wie ein Mülleimer und zwischen den Ohren nur ein Gebet: Mutter, komm und rette mich, kauf mir diese Frau oder eine andere. Was für ein Lap- pen! Was wollte er auf dieser Welt? Konnte er sie nicht ein- fach verlassen?
Nach etwa anderthalb Stunden hatten Mutter und Lude sich auf eine mittelschwere Frau aus Osteuropa verständigt, nur der Preis war strittig. Der Sachse wurde richtig laut. „Fifftietousend, fifftietousend!“, brüllte er durchs Lokal, dessen Michelin-Stern spätestens in diesem Moment verglühte. Niemand griff ein oder warf ein Fischmesser nach dem Verbrecher. Die Ägypterin maulte und wehrte sich theatralisch, lenkte aber irgendwann ein, und die Sache war abgemacht. Der Bräutigam sagte nichts. Mutter orderte die Rechnung und zahlte, es war ziemlich genau ein Prozent vom Kaufpreis für die Frau, der Sachse ging telefonieren.
Irgendwo in Litauen machte sich eine junge Frau auf den Weg, um mit einem lebensgewandten ägyptischen Traumprinzen und einer herrlichen Schwiegermutter ihr Lebensglück zu finden.
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