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KUNST

KunstNoemi Molitorschaut sich in Berlins Galerien um

Die Gegenwart als Ergebnis der Vergangenheit („The Present as a Result of the Past“, zu sehen im Grimm Museum) – so simpel rahmt Fotini Gousetiihre künstlerischen Forschung zu einem Erinnerungsprojekt, das sie mit größter Empathie und dafür ohne persönliche Betroffenheitsinszenierung nachvollzogen hat. Die Überlebenden und Nachfahren des Massakers der deutschen Wehrmacht 1943 im griechischen Kalavryta ließen sich gut vierzig Jahre später auf eine quasi undenkbare Art der Traumaarbeit ein: 1986 wirkten sie als Darsteller_innen in Yannis Katomeris Dokudrama „Kalavryta, December 13th, 1943“ mit, erklärten sich bereit, den Tag, an dem nahezu alle männlichen Bewohner der Stadt ermordet wurden, so ein weiteres Mal zu durchleben. Die 2-Kanal-Videoarbeit „Efthimia (Euthymia) No°3“ zeigt Gouseti im Gespräch mit Efthimia Papadimitropoulou Benaki, die als Teil der Thea­ter­gruppe Panos Michos, aus der viele Mitglieder selbst Verwandte verloren hatten, in Katomeris Film mitwirkte und ihre Nachbar_innen überzeugte, dasselbe zu tun. In ihrem Kommentar werden Kategorien wie Amateurschauspiel irrelevant. Auch „Katharsis“ würde an der Größe der Beteiligten vorbeifantasieren. Was sich hier zeigt ist ein Umgang mit Trauma, der durch den Filter Film umso ungefilterter und furchtloser zur Präsenz kommt (noch bis 9. 4., Mi.–Sa., 14–18 Uhr, Fichtestr. 2).

In einem ganz anderen Genre bewegt sich die Gruppenausstellung „Expanded Fields“ bei Nymphius Projekte. Die Anspielung auf Rosalind Krauss’ Reflektion neuer skulpturaler Umsetzungsverfahren von 1979 („Sculpture in the Expanded Field“) zeigt die Ausstellung vor allem an der Wand hängende Konstruktionen und textbasierte Arbeiten bzw. solche, die eine Skulptur nur konzipieren. Franz Erhard Wal­thers Arbeit „Proportionsbestimmung/Gesichtsfeld“ von 1972 bildet die Messung von Größenverhältnissen ab: Fotografierte Handkanten machen neben Stichworten wie „Fläche, Feld, Bestimmung“ eigentlich das ungefähre Augenmaß zum Thema. Nahum Tevets in den Raum hineinragende Holzskulptur „1-2-2“ (2014) wirkt wie eine Umsetzung von Walthers Anleitungsskizzen zur Befestigung der „Gegenwart der Erinnerung“ an der Wand. In Martin Creeds „Work 1839“ (2014) stapeln sich drei Acrylbalken in Schwarz, Orange und Hellblau in aufsteigender Breite übereinander, diese Kontrastierung hebt sie nicht nur hori­zon­tal voneinander ab, sondern lässt sie scheinbar in den Raum schweben. Auch Meusers Stahlkonstruktion „völlig ver­stuppelt“ (2015), schwebt trotz tonnenschwerem Eindruck von der Wand (bis 16. 4., Mi.–Fr. 14–18, Sa 11–14 Uhr, Bayerischer Platz 5).

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