Unterwegs auf Mallorca trifft man auf andere Merkwürdigkeiten, als die Klischees besagen
: Auf der Insel der wedelnden Ärsche

Foto: Wolfgang Borrs

Herbstzeitlos

von Martin Reichert

Wenn man nun den Satz schriebe „noch nie sah ich so viel Ärsche, wie auf Mallorca“, dann hätte der Leser sofort ein Bild im Kopf. Und zwar eines, das langweiligerweise weitläufig bekannt ist: Feiste, hässliche Teutonen, die in der Urlaubshölle El Arenal („Ballermann“) Eimer saufen und Bratwurst essen. Noch langweiliger wäre es nun nur noch hinterherzuschieben, dass „die Insel“ abseits dieser ausgetretenen Pfade ja viel schöner und ganz anders ... und so weiter.

Doch die meisten Ärsche begegnen einem auf Mallorca, wenn man eben dort unterwegs ist, abseits der häufig von noch viel feisteren Angelsachsen heimgesuchten Pfade, etwa auf kurvigen Gebirgsstraßen entlang der Nordküste. Die Ärsche sind in hautenge Lycra-Shorts verpackt und wedeln von links nach rechts, besonders wenn es bergauf geht. Es handelt sich um männliche Radfahrer und niemals um weibliche. Eine einzige Frau ist mir begegnet, und die fuhr ein Körbchenrad.

Die hier wedelnden Ärsche haben ihre 3.000-Euro-Bikes meist in extra dafür angefertigten Special Cases per Aeroplane übers Mittelmeer transportiert und sehen von hinten erfreulicherweise aus, als trainierten sie für die Tour de France. Schaut man allerdings in den Rückspiegel des Mietwagens, kommt man auf den Trichter, dass es sich eher um ein Betätigungsfeld für Männer im besten Herzinfarkt-Alter und aufwärts handelt. Können sich jüngere Männer einen solchen Urlaub nicht leisten? Oder glauben sie, ihre Ärsche hätten ein solches Training nicht nötig?

Fährt man durch die Gebirgslandschaften Mallorcas, so sieht man eigentlich nichts anderes als Radfahrer. Ignorieren geht nicht, weil man ihnen stets ausweichen oder sie überholen muss, was bei diesen Kurven gar nicht so leicht ist und mitunter lebensgefährlich für beide Seiten. Rücksichtslosigkeit geht nicht, weil man sich spätestens an der nächsten Raststätte wiedersieht.

Männer, die von ihren Profi-Rennräder absteigen, um in der nächsten Ausflugsgaststätte einen Teller Spaghetti Bolognese zu essen, sind nun wiederum ein besonders rührender Anblick. Sie können kaum noch gehen. Erstens, weil ihre Beinmuskulatur überanstrengt ist von dem vielen Gestrampel, und zweitens, weil sie spezielle Fahrradschuhe tragen, die mittels einen kleinen Pümpels in die Pedale eingerastet werden können. Diese Pümpel machen nun Geräusche wie Pumps, während die Männer gehen, so als liefen sie über hartgekochte Eier.

Als wir später mit unserer kleinen Ausflugstruppe auf einer Bank mit Blick über die Weiten des Mittelmeers saßen, sinnierte ich noch ein wenig über die Frage, was wohl all die Ehefrauen der vielen Männer in engen Lycra-Hosen trieben, während ihre Gatten auf den Balearen ihre Ärsche in Form bringen. Serien gucken? Marathon laufen? Töpfern? Einsam sein?

„Ha, ha“, lachte die mit­rei­sen­de heterosexuelle Blondine, „hast du eine Ahnung! Die sind froh, dass der Alte weg ist und lachen sich zu Hause mal schön vom Elektriker übers Ceranfeld legen!“

Also wirklich, manche Bilder bekommt man einfach nicht mehr aus dem Kopf.

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