: Wirtschaftsaufschwung bleibt wacklig
Reformen sollten die erhoffte Wende bei Wachstum und Beschäftigung bringen. Für das Jahr 2006 gaben deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute dieser Hoffnung einen Dämpfer. Unbeirrt halten sie an ihren Konjunkturrezepten fest
AUS BERLIN TARIK AHMIA
Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute drängen die neue Regierung trotz flauer Konjunktur zu einem schärferen Sparkurs und Reformen. In ihrem gestern in Berlin veröffentlichten Herbstgutachten sehen sie für die deutsche Wirtschaft auch im kommenden Jahr keinen nachhaltigen Aufschwung. Die überwiegend neoliberal orientierten Wirtschaftsforscher erwarten, dass sich das Wachstum nur schleppend von 0,8 Prozent in diesem Jahr auf 1,2 Prozent im nächsten Jahr erhöht. Im Frühjahr hatten sie noch 1,5 Prozent Wachstum prognostiziert. Übereinstimmend kommen alle Gutachter zu dem Schluss, dass die deutsche Konjunktur von der Außenwirtschaft getragen wird. „Die Grundlage dafür ist eine weiterhin kräftig expandierende Weltwirtschaft“, sagte Thorsten Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).
Wegen der nur langsam anziehenden Binnenkonjunktur sehen sie das Wachstum noch auf wackligen Beinen. Daran werde sich 2006 auch trotz ausgesprochen günstiger geldpolitischer Rahmenbedingungen und der moderaten Lohnpolitik nichts ändern, sagte Schmidt. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt werde sich ebenfalls nicht deutlich verbessern. „Die leichte konjunkturelle Erholung wird 2006 zu einer leichten Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Jobs führen“, sagte Roland Döhrn vom RWI. Die Arbeitslosenrate werde aber vor allem durch die 1-Euro-Jobs „leicht sinken“.
Mit dem Gutachten gaben die Wirtschaftsforscher der neuen Regierung deutliche Ratschläge. „Wir müssen die Eingriffe des Staates reduzieren und die Eigenverantwortung stärken“, forderte Döhrn. Er machte auch keinen Hehl daraus, wie die neoliberalen Slogans mit Leben zu füllen sind: „Die Staatsquote muss spürbar sinken, und die Unternehmen müssen steuerlich entlastet werden.“ Insgesamt müsse das Kapital durch eine Steuerreform schneller entlastet werden als Arbeitseinkommen, betonte Döhrn unter Verweis auf Kirchhofs Steuerkonzept.
Sein Kollege Gebhard Flaig vom Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) assistierte ihm mit Vorschlägen zum Arbeitsmarkt: „Wir müssen den Arbeitsdruck auf die Arbeitslosen erhöhen und die Arbeitsnachfrage durch Lohnsenkungen steigern.“ Der Einwand, dass auch nach jahrelangen Reallohnsenkungen das Wachstum nicht auf Touren gekommen ist und das Haushaltsdefizit seit 1999 kontinuierlich wächst, beeindruckte die Phalanx der angebotsorientierten Ökonomen nicht: „Wachstum entsteht, wenn die Lohnnebenkosten sinken“, so Döhrn.
Auch die eher negative Erfolgsbilanz der bisherigen Reformbemühungen hat aus Sicht der Gutachter nichts mit falschen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu tun. „Eine Konsolidierung kann nur über die Ausgabenseite erfolgen“, postulierte Joachim Scheide vom Institut für Weltwirtschaft Kiel.
Minderheitsvoten in dem neoliberalen Tenor kamen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das teilte zwar den grundsätzlichen Tenor des Gutachtens, meint aber, ein drastischer Sparkurs und zu hohe Zinsen könnten die fragile Konjunktur weiter in Mitleidenschaft ziehen.
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