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OFF-KINO

Off-Kino

Lars Penning

Filme aus dem Archiv– frisch gesichtet

Bekannt ist der Regisseur Michael Klier vor allem durch seine Berliner Milieustudien „Ostkreuz“ (1991) und „Heidi M.“ (2001), die mit ihren Bezugspunkten Neorealismus und Nouvelle Vague im Deutschen Film eine Ausnahmestellung einnehmen. Der Blick auf zehn Kurzfilme Kliers, die jetzt in der Brotfabrik gezeigt werden, lässt die Vorbilder noch deutlicher werden. „Probeaufnahmen“ (1963) ist Nouvelle Vague auf Berliner Verhältnisse übersetzt: Schwarzweiß und ohne Direktton gedreht, entfaltet sich die kleine Geschichte von Hans, der sich für die hübsche Annarella interessiert, aber mehr noch für das Kino. Vor allem für das französische, weil man dort realistischere Filme macht. Ein blondes Mädchen, das sich an einer Scheibe die Nase platt drückt, Pläneschmieden im sonnigen Straßencafé: Der Film verrät ebenso viel Gespür für ein Lebensgefühl (und den Traum eines Lebensgefühls) wie die vier für den SFB entstanden Kurz-Dokus von 1965, die so unterschiedliche Leute porträtieren wie eine Sekretärin, die das Abitur nachholt („Das Abitur“), oder einen angehenden Schauspieler, dessen Leidenschaft für Sportwagen von der Tante finanziert wird („Ferrari“). Geraucht wird in allen Filmen ständig, vielleicht weil beim Rauchen das mythische Kinobild und die natürliche Geste so selbstverständlich zusammenfallen. In „Schauspielerei“ (1982), einer Reflexion über den Neuen Deutschen Film, spricht Klier nämlich aus, was er gar nicht mag: „schwere, angestrengte“ Theatergesichter, die „das Gewicht der Welt zu tragen“ scheinen (1.–3. 4., 18 Uhr, Brotfabrik, am3. 4. mit Michael Klier).

Detlef Sierck, der sich später in Hollywood Douglas Sirk nannte, war stets ein scharfsinniger Kritiker gesellschaftlicher Verhältnisse, die auch in seinem ersten Spielfilm, der Verwechslungskomödie „April! April!“ (1935), aufs Korn genommen werden. Ein falscher und ein echter Prinz sorgen für Verwirrung im Hause eines neureichen Nudelfabrikanten, dem verärgerte Bekannte einen Streich spielen. Eine boshafte und lustige Analyse von Schein und Sein (1. 4., 19 Uhr, Filmmuseum Potsdam).

In eine Sinnkrise schlittern der Schriftsteller Giovanni und seine Frau Lidia in Michelangelo Antonionis Klassiker „La Notte“: Im Laufe eines Tages erkennen die beiden, dass ihre Beziehung nur noch aus Gewohnheiten besteht. Sinnbild der Leere sind Lidias lange Spaziergänge in einem Viertel, in dem das Ehepaar einst wohnte und in dem sich alles verändert hat: Gesichtslose, moderne Neubauten beherrschen das Bild (31. 3., 19.30 Uhr, Arsenal 1).

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