Berliner Szenen: Schlecht für die Lunge
Körperlogik
Sonntag beim Mittagessen. Mein Kind (10) und Nachbarkind Emil (9) reden übers Rauchen. Emil: „Fängst du später mal an zu rauchen?“ Kind: „Nee, glaub ich nicht. Ich hab ja Asthma. Da ist das nicht gut für die Lungen.“ Kleine Pause. Emil: „Das ist auch ohne Asthma schlecht für die Lungen.“
„Da hast du recht“, werfe ich ein. „Besser, man fängt gar nicht an. Aufhören ist immer schwierig.“ Emil nickt. „Stimmt. Papa kann auch nicht aufhören.“ Das Kind ergänzt: „Aber man weiß ja nicht, was der Körper später so macht.“ Ich lasse das kurz wirken, bin irritiert und hake nach.
Das Kind erklärt: „Du kannst jetzt doch noch nicht wissen, ob dein Körper rauchen will, wenn du groß bist. Vielleicht will der auch sprayen oder so, da kannst du dann auch nichts machen.“ Abgesehen davon, dass mein Körper noch nie sprayen wollte, halte ich die Theorie für gewagt. Aber bei näherer Betrachtung auch ganz kinderlogisch. Wenn man sich das Rauchen nicht abgewöhnen kann, egal wie man sich bemüht, dann gibt es nur eine Erklärung: Erwachsene Körper tun Dinge, auf die der Erwachsene keinerlei Einfluss hat. Ein unheimlicher Gedanke. Ich will kein Kind, das später Graffiti auf S-Bahn-Züge sprayt und meint, es könne nicht anders.
„Du kennst aber Leute, die aufgehört haben zu rauchen“, sage ich zu Emil. Der sieht mich skeptisch an. „Deine Mutter hat früher geraucht. Macht sie doch nicht mehr, oder?“ Jetzt hab ich ihn. „Nee, die raucht nicht. Aber die hat dann wohl aufgehört, als ich kam. Dann soll man ja nicht mehr rauchen.“ Ich erkläre, dass sie danach wieder angefangen hat und sich erst bei der zweiten Schwangerschaft endgültig von diesem Laster losgesagt hat. Emil ist begeistert. Er kennt seine Mutter nur als Nichtraucherin. Da hab ich pädagogisch ja noch mal die Kurve gekriegt.
Abends gibt es Schokolade, die ich nicht essen will. Und von der ich mir dann doch einen Riegel nehme. Was soll ich machen, wenn mein Körper danach verlangt? Vielleicht sind Kindertheorien wahrer, als Erwachsene glauben. Gaby Coldewey
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