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Neugierig ins Unbekannte

HOMMAGE Unnahbar wie lebenslustig: Das Kino Arsenal widmet der italienischen Schauspielerin Monica Vitti eine Filmreihe

Blond, langbeinig, von hinreißender Schönheit – doch in ihren Filmen bekommen die Männer Monica Vitti kaum zu fassen Foto: Arsenal

von Carolin Weidner

Es war nicht nur ihr erster Film mit Michelangelo Antonioni, sondern auch „mein erster Film in Cannes, und mein erster Film überhaupt“. So aufgeregt äußerte sich Monica Vitti im Nachhinein über die Premiere von „L’avventura“ (“Die mit der Liebe spielen“) im Jahre 1960 in Cannes.

Hunderte Fotografen umringten sie, erinnert sich Vitti. „Ihre Kameras hielten sie wie Schusswaffen auf uns gerichtet. Der Kinosaal war voll und komplett dunkel. Und dann die Vorführung: ein echtes Drama.“ Denn von der ersten Szene an lachten die Leute und hörten auch bis zum Ende nicht mehr damit auf. „Sogar an völlig unpassenden, tragischen Stellen, solchen, die uns viel Anstrengung bereitet hatten und uns etwas bedeuteten.“ Vitti konnte nicht verstehen, dass nur sehr wenige L’avventura mochten. „Als ich aus dem Raum kam, weinte ich wie ein Baby.“

Doch noch im Verlauf des Abends formiert sich eine wirksame Gruppe aus Kritikern und Regisseuren, die eine Unterschriftenaktion ins Leben rufen: dafür, dass „L’avventura“ zu den wichtigsten und modernsten Filmen zählt, die es in Cannes je gegeben hat. „L’avventura“, das ist der erste Teil einer Trilogie Antonionis, in der es vor allem darum geht, zeitgemäße amouröse Beziehungen auszumessen. Verbindungen, die nicht selten in einer Sackgasse münden – oder in bedeutungsschwerer Leere. Es sind drei Filme – „L’avventura“, „La notte“ (“Die Nacht“) und „L’eclisse“ („Sonnenfinsternis/Liebe“) –, die in nur drei Jahren entstanden sind. Und in allen dreien steht Monica Vitti im Zentrum, die zu jenem Zeitpunkt auch privat an Antonionis Seite stand.

In „L’avventura“ spielt sie Claudia, welche mit ihrer besten Freundin Anna (Lea Massari) einen Bootstrip zu den Liparischen Inseln unternimmt. Mit an Bord: Sandro (Gabriele Ferzetti), Annas Liebhaber. Als diese plötzlich spurlos verschwindet und sich Claudia und Sandro auf die gemeinsame Suche nach ihr begeben, geschieht das, was eigentlich nicht geschehen sollte: Zwischen den Suchenden tritt ein Begehren zum Vorschein, das erst in der Abwesenheit Annas Raum zum Aufflammen erhält. Doch zum Äußersten kommt es nicht, dafür ist Claudias Gewissenskonflikt zu stark.

Sekundenschnell wechselt sie zwischen Unbefangenheit und Missbehagen

Aber gerade in dieser charakteristischen Pendelbewegung liegt eine Kraft, die nicht nur Antonionis Filme dieser Zeit kennzeichnet, sondern auch Monica Vittis Frauenfiguren und ihr unverwechselbares Spiel. Da ist die Vitti, und wie sie immer wieder zwischen Unbefangenheit und Missbehagen wechselt, sekundenschnell. Ihre raue Stimme, ihr kehliges Lachen verstummt dann abrupt, um einem erschrockenen Blick zu weichen. Mit einer Körperhaltung, die sich auf dem Rückzug befindet. Die sich gerade noch neugierig ins Unbekannte streckende Schnecke verschwindet blitzartig wieder im Gehäuse.

Und dann sind da natürlich die Männer, welche Antonioni in diesen Tanz schickt: Gabriele Ferzetti in „L’avventura“, Marcello Mastroianni in „La notte“ und, nicht zu vergessen, Alain Delon in „L’eclisse“. Keiner von ihnen bekommt die langbeinige Blonde mit dem klugen, schmalen Gesicht für länger als einen Moment zu fassen. Einige versuchen es auch nur halbherzig, weil Antonioni sie in einem ähnlichen Schwebezustand belässt wie seine weibliche Protagonistin. In „L’eclisse“ kreisen Vitti und Alain Delon eine Weile umeinander, bevor keiner von beiden zum vereinbarten Treffpunkt erscheint. Und Marcello Mastroianni ist in „La notte“ ohnehin mit einer anderen liiert. Wie auch Vitti selbst in „Il derserto rosso“ (1964), einem weiteren Antonioni-Film. Nur, dass das Hingezogensein zu einem Mann hier ins psychisch Brenzlige kippt.

Etwas komischer, wenn auch nicht gerade harmlos, geht es in „Dramma della gelosia“ (“Eifersucht auf Italienisch“) von Ettore Scola aus dem Jahr 1970 zu, in dem Vitti und Mastroianni erneut als Paar zu sehen sind. Komödiantisch-rasant ist auch Joseph Loseys James-Bond-Persiflage „Modesty Blaise“ (1966) mit einem erblondeten Dirk Bogarde, der übergroße Gläser mit Zierfischen darin schwenkt. Der kühnen Modesty-Vitti ist er dabei dennoch nicht gewachsen.

In der Reihe „Monica Vitti – Ikone, Diva … Komödiantin!“ (22.–31. 3.) werden im Arsenal nicht nur Antonionis Filme mit Monica Vitti gezeigt, sondern auch ihre späteren Komödien

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