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THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Zurzeit hat man ja eh das Gefühl, all die Untoten der Geschichte, die vom Kalten Krieg lange in Schach und in ihren Gräbern gehalten wurden, kriechen nun wieder ganz schamlos hervor. Nazis, Rassisten und all diese Figuren, die das Rad der Geschichte gern zurückdrehen möchten. Und keiner ist da, der ihnen wirksam wenigstens mit einer Ladung Knoblauch entgegenträte, wie es zum Beispiel gegen den bekanntesten aller Untoten, den Grafen Dracula, helfen soll. An der Komischen Oper hat man zeitgeistgerecht eine Zombie-Oper wieder ausgegraben: „Der Vampyr“, ein tolles Beispiel deutscher Schauerromantik. Der Untote, der hier sein Unwesen treibt, ist ein gewisser Lord Ruthven. Bis Mitternacht muss er drei Bräute zu Tode gebissen haben, so will es der Plot des Librettisten Wilhelm August Wohlbrück. Dann wird dem finsteren Lord ein weiteres Jahr geschenkt. Uraufgeführt wurde die biedermeierliche Gruseloper, in der sich eine Menge Zukunftsängste der Epoche an der Schwelle des Industriezeitalters bündeln, 1828 in Leipzig. Die Musik schrieb Wohlbrücks Schwager Heinrich Marschner, seinerzeit hochberühmt. Es inszeniert der junge Regisseur Antú Romero Nunes (Komische Oper: „Der Vampyr“, Premiere 16. März., 18 Uhr, läuft bis 5. Juli).

Blutig ging es auch in dem berühmten Krieg zu, der vor ein paar Jahrtausenden um die von ihrem Geliebten nach Troja entführte griechische Fürstengattin Helena ausgetragen worden ist. Die Volksbühne, wo bekanntlich stets mit größter theatralischer Lust in die schwarzen Löcher und absurden Abgründe der Geschichte geblickt wird, präsentiert am 22. März mit „Troja“ den dritten Teil ihrer „schwarzen Serie“, der sich mit dem zehnjährigen Krieg um Troja befasst. Anlass ist unter anderem der 125. Todestag des legendären Berliner Troja-Ausgräbers Heinrich Schliemann, der eine Art Karl May der Archäologie gewesen ist (Volksbühne: „Troja“, 22. & 23. März, 20 Uhr bzw. 20.30 Uhr, weitere Vorstellungen ab 30. März).

Im HAU ist ab 18. März „Les­sons of Leaking“ zu sehen, der neue Abend der interaktiven Game-Theatermacher machina eX: Eine junge Angestellte gerät durch Zufall an streng geheime Informationen, deren Veröffentlichung schlimme Konsequenzen für ganz Europa hätte. „To leak or not to leak?“ ist jetzt also die Frage. In kleinen Gruppen kann sich das Publikum dann durch einen Politthriller spielen. Beim Lösen von Rätseln der einzelnen Spiellevel müssen die zu Mitspielern gewordenen Zuschauer jeweils weitreichende Entscheidungen privater und politischer Natur treffen (HAU 3: „Lessons of Leaking“, 18. März–1. April, jeweilige Uhrzeiten unter: www.hebbel-am-ufer.de).

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