Speisen im Retrostil der 50er-Jahre

Im nostalgischen Stil feiern die Saarländer am Sonntag einen landespatriotischen Jahrestag: Vor 50 Jahren lehnten sie das europäische Saarstatut ab und machten so den Weg zur Wiedereingliederung ihres Landes in die Bundesrepublik frei

AUS SAARBRÜCKEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Nie zuvor und nie danach war die Bevölkerung einer solchen Zerreißprobe unterworfen“, sagte der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) mit Blick auf die Volksabstimmung über das Saarstatut vor 50 Jahren. Am 23. Oktober 1955 waren die Saarländer aufgerufen, sich zu dem von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und dem Ministerpräsidenten der Republik Frankreich, Pierre Mendès-France, ausgehandelten Statut über die Zukunft des nach dem Zweiten Weltkrieg von Frankreich verwalteten Saarlandes zu bekennen – oder das Vertragswerk abzulehnen.

Nach dem Statut sollte das Saarland die ökonomisch weiter an Frankreich gebundene Keimzelle für eine auch politische – visionäre – Gemeinschaft aller (west)europäischen Staaten werden. Es war vorgesehen, das Saarland bis zum Abschluss eines Friedensvertrags mit Deutschland einem Kommissar der Westeuropäischen Union zu unterstellen. Doch 67,7 Prozent der stimmberechtigten Saarländer lehnten das Statut ab. Die Wahlbeteiligung lag bei sensationellen knapp 100 Prozent.

Nicht nur von der Bundesregierung wurde der Wahlausgang als Votum der Bevölkerung für die Rückkehr des Saarlandes nach (West-)Deutschland interpretiert. Auch die französische Regierung machte danach den Weg für eine Volksabstimmung über die „kleine Wiedervereinigung“ (Müller) des Saarlandes mit der Bundesrepublik frei.

Die Männerfreundschaft zwischen Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle und der feste Wille beider Seiten, die unsägliche „Erbfeindschaft“ endlich Historie werden zu lassen, gaben wohl den Ausschlag für den Verzicht der Grande Nation auf die Kohlegruben und Stahlwerke an der Saar. Denn dass die Saarländer dann 1957 im Rahmen einer Volksabstimmung für den Anschluss an Deutschland votieren würden, war in Paris schon nach dem Ausgang der Abstimmung über das Saarstatut klar.

„Das Saarland ist unsere Heimat, Deutschland ist unser Vaterland und Europa unsere Zukunft“, so Müller im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Ablehnung des Saarstatuts am Sonntag. Und weil die deutliche Ablehnung des Statuts direkt zur Integration des Saarlandes in die Bundesrepublik führte, kommt auch Bundespräsident Horst Köhler (CDU) zum Staatsakt in die Saarbrücker Ludwigskirche und zum Bürgerfest auf dem Ludwigsplatz – und auch die französische Europaministerin Catherine Colonna.

In diesem Zusammenhang legt die Staatskanzlei großen Wert auf die Feststellung, dass im Regierungsviertel von gleich drei saarländischen Brauereien ein „Festzelt im Stil der 50er-Jahre“ aufgebaut wurde und auch das Speisenangebot dem damaligen Zeitgeist entspreche. Abgerechnet wird allerdings in Euro zum Nennwert von 2005.

Abgerechnet und mit harten Bandagen gekämpft wurde vor 50 Jahren. Das politische Saarland war gespalten in Gegner und Befürworter des Statuts. Die einen sahen im Saarstatut ein Dokument zur Kolonialisierung des Saarlandes durch Frankreich; die anderen setzten auf die europäische Karte und darauf, dass Saarbrücken mit dem Statut als Grundlage schon bald der Sitz zukünftiger europäischer Institutionen werden könnte.

Geholfen hat den Gegnern der frühen Europäisierung des Saarlandes sicher auch der rasante wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland – und im Gegenzug die temporäre ökonomische Stagnation damals in Frankreich und auch im französischen Saarland. Auch deswegen hatten die Verfechter der Europäisierung damals einen schlechten Stand.